Medaillon des Schicksals (German Edition)
Paste aus Olivenöl, weißem Zucker und erwärmtem Zitronensaft, ließ auch den Hals und den Brustansatz nicht aus und massierte die Mischung mit zarten, kreisenden Bewegungen in die Haut.
»Ihr Frauen aus dem fahrenden Volk seid bekannt dafür, dass ihr die Geheimnisse der Schönheit besser kennt als selbst die Florentinerinnen, zu denen ja auch meine zukünftige Schwägerin gehört«, sagte Daria, und in ihrer Stimme schwang eine Mischung aus Verachtung und leiser Bitterkeit mit.
»Die Schönheit der Florentinerinnen ist flüchtig wie die Jugend. Wahre Schönheit erhält man nicht durch Cremes und Salben, sondern durch Lieben und Geliebtwerden«, zitierte Rosaria einen Satz, den sie oft, sehr oft, von Paola gehört hatte. Und dass er stimmte, hatte Paola, die bis zu ihrem Tod eine anziehende Frau gewesen war, zur Genüge bewiesen. Selten nur hatte sie sich der Schönheitsmittelchen bedient, aber wenn Estardo in ihrer Nähe gewesen war, hatte sie stets von innen heraus gestrahlt.
»Wenn das stimmt, was du sagst«, erwiderte Daria und drehte sich vor der spiegelnden Fläche der polierten Stahlplatte, »dann fürchte ich um die Schönheit meines Bruders.«
Giacomo war der einzige Bewohner der Burg, mit dem Rosaria noch nicht zusammengetroffen war, aber es schien ihr, als wäre er das heimliche Zentrum, von welchem alles Fröhliche und Gute auf der Burg ausging.
Schon mehrfach hatte Rosaria die Kammerfrauen und Küchenmägde von ihm reden hören. Jetzt fragte sie Daria nach ihm.
»Giacomo, Euer Bruder, wie ist er?«
»Oh, schön ist er. Schön wie ein Göttersohn. Seine dunklen Locken unterstreichen seinen Teint von der Farbe der Sienaeser Erde. Er ist ein Toskaner, wie er im Buche steht. Selbst seine Augen erinnern in ihrer Farbe an die aschgrünen Blätter des Olivenbaumes.«
Rosaria nickte, denn sie musste unwillkürlich an den jungen Mann mit den Olivenaugen denken, von dem sie geträumt, den sie einmal getroffen und seither nie wieder gesehen hatte. Wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, dann musste sie zugeben, dass sie eine leise und ganz heimliche Hoffnung in ihrem Herzen trug, ihn vielleicht morgen auf der Verlobung von Conte di Algaris Sohn wieder zu sehen. Denn dass der geheimnisvolle und überaus anziehende Unbekannte etwas mit der Burg und seinen Bewohnern zu tun haben musste, das wusste Rosaria seit ihrem Besuch in dem Bordell von San Gimignano.
Doch bis morgen war noch lange Zeit. Jetzt musste sie erst einmal die reinigende und schälende Maske von Darias Haut abnehmen und mit ihrer Behandlung fortfahren.
Sie rührte jetzt noch einmal in der Paste, die als Nächstes aufgetragen werden sollte, um die Haut zu beruhigen und mit heilenden und pflegenden Stoffen anzureichern. Die Paste bestand aus einem großen Teil Quark. In den Quark hatte Rosaria zerstoßene Bittermandeln und einen kleinen Apfel gemischt. Nun trug sie diese Mischung sorgsam auf Darias Haut auf, die von der schälenden Maske schon leicht gerötet war.
Als sie damit fertig war, fragte sie: »Und wie ist er wirklich, Euer Bruder Giacomo, von dem jeder hier auf der Burg ein Loblied singt?«
Daria stimmte sofort in die Lobeshymnen ein und erzählte: »Er zeichnet sich in allem aus, was einen Mann zum Manne macht. Er liebt Ritterspiele und Turniere, er liebt Sport und Tanz, er liebt die schönen Künste und die schönen Frauen. Er ist begabt in den Dingen, die körperliche Kraft und Geschick verlangen, und ebenso versiert ist er in den Angelegenheiten des Geistes, der Barmherzigkeit und Güte. Vor allem aber liebt er das Leben selbst, erfreut sich am Zauber der Natur und an jedem neuen Augenblick, den der Tag ihm schenkt.«
Daria machte eine Pause und drehte sich zu Rosaria um, die hinter dem Schemel stand, auf dem die junge Comtess vor dem Spiegel saß.
»Er erinnert mich in dieser Hinsicht an dich, Rosaria. Auch du scheinst das Leben zu lieben und jeden neuen Tag als ein Gottesgeschenk zu betrachten. Ich wünschte, ich wäre wie ihr.«
Rosaria lachte, dann aber wurde sie ernst und vertraute Daria als erstem Menschen ihr großes Geheimnis an.
»Ich weiß, Daria, dass die Leute mich so sehen. Aber das ist nur die Oberfläche. Im Grunde meiner Seele fühle ich mich oft einsam. Ich sehne mich mehr als alles andere in der Welt nach einem Menschen, der mich so liebt, wie ich bin, der mich versteht, auch ohne dass ich viele Worte machen muss. Ein Mensch, der mir ähnlich ist, der denkt und fühlt wie ich. Aber bisher habe ich noch
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