Medaillon des Schicksals (German Edition)
Fenster stand, vor sich einen leeren Vogelkäfig. Es war die Contessa Donatella di Algari, die da stand und Rosarias Gesang gelauscht hatte. Doch als sie die Blicke der Olivenhändlerin bemerkte, wandte sie sich ab und verschwand im Innern ihrer Gemächer. Rosaria seufzte. Wie gern hätte sie die Contessa mit ihrem Lied getröstet. Doch so weit, bis hinauf in die Räume der Hausherrin, trug ihre Stimme wohl nicht.
Doch es gab jemanden in der Burg, den ihr Lied erreicht hatte. Erreicht und berührt. Gerade eben trat ein Bediensteter an Rosarias Bank heran und überreichte der jungen Frau ein Korb voller Blüten. Der Duft von Oleander, Lavendel, Jasmin und Iris erfüllte die Luft, stieg in die Nasen und Köpfe der Anwesenden und erweckte in ihnen einen Rausch wie der köstlichste Wein.
»Von wem kommen die Blüten?«, fragte Rosaria und konnte nicht verhindern, dass ihr Herz dabei gegen ihre Rippen pochte, als wollte es ausbrechen.
»Es tut mir Leid, Olivenhändlerin. Ich habe Anweisung, über den Absender Schweigen zu bewahren«, erwiderte der Bedienstete.
Als er Rosarias enttäuschtes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Seid nicht traurig deshalb. Uns alle hier hat Euer Gesang so verzaubert, dass wir Euch liebend gern sämtliche Blüten dieser Welt zu Füßen legen wollten.«
Als die anderen dieses wunderbare Kompliment hörten, klatschten sie und trampelten mit den Füßen ihren Beifall auf den Boden.
Rosaria aber nahm sich nur eine einzelne Jasminblüte aus dem Korb und befestigte sie an ihrem Ausschnitt. Dann gab sie dem Bediensteten den Korb zurück und bat ihn, die Blüten der Contessa Donatella di Algari zu bringen.
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9. Kapitel
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Am Morgen der Verlobung zeigte sich die Burg in schönster Pracht. Blumengirlanden schmückten das Torhaus und alle anderen Türen. Aus den Burgfenstern hatte man prächtige Teppiche gehängt, die zur Aussteuer der schönen Isabella gehörten und erst vor wenigen Tagen angeliefert worden waren. Der gepflasterte Hof selbst war von Blüten übersät und durchtränkte die Luft mit dem lieblichen Geruch der Blumen.
Rosaria war schon sehr zeitig zu Daria gegangen, um der jungen Comtess die nächtliche Maske aus Ringelblumen, Olivenöl und Kamillenblüten von Gesicht, Hals und Dekollete abzunehmen.
Gespannt saß Daria vor dem Spiegel und beobachtete die Veränderung, die mit ihr vor sich ging. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie das Ergebnis von Rosarias Bemühungen sah: Die Entzündungen waren auffallend zurückgegangen, von den meisten Stellen hatte sich der Schorf gelöst und für eine neue, noch zarte, aber gesunde Hautschicht Platz geschaffen. Die Narbenwülste waren noch nicht verschwunden, hatten aber bereits ihre wulstigen roten Ränder eingebüßt.
Fassungslos vor Freude saß Daria vor dem Spiegel und strich sich ein ums andere Mal mit der Hand über das Gesicht.
»Ich danke dir, Rosaria«, stammelte sie ergriffen. »Du hast mir mein Gesicht zurückgeschenkt.«
Rosaria lachte, obwohl auch ihr die Tränen in den Augen standen.
»Ihr seid noch nicht fertig, Daria. Erlaubt mir, Euch zu schminken, und Ihr werdet sehen, dass niemand mehr Euren Ausschlag bemerkt.«
Rosaria holte ein paar Tiegelchen aus ihrem Korb und begann, Darias Gesicht mit einer Paste von der Farbe ihrer Haut einzustreichen. Dann nahm sie einen Pinsel, fuhr damit in ein anderes Tiegelchen und malte der jungen Frau eine leichte Röte auf die Wangen. Zum Schluss färbte sie ihr die Lippen rot und malte die Augenbrauen zu zwei eleganten Bögen, die den natürlichen Schwung von Darias Wimpern noch betonten.
Mit größter Verwunderung betrachtete sich die Comtess im Spiegel.
»Bin ich das?«, fragte sie wieder und wieder. »Rosaria, sag, bin ich das wirklich?«
»Aber ja«, erwiderte Rosaria bestimmt. »Diese bezaubernde und schöne junge Frau seid Ihr. Und ich glaube, ich kann versprechen, dass Euch diese Schönheit erhalten bleibt.«
Zweifelnd blickte die Comtess sie an.
»Was macht dich da so sicher?«, fragte sie, und in ihrer Stimme war ein Hauch von Mutlosigkeit und Ungläubigkeit zu spüren.
»Schönheit kommt aus dem Inneren. Lasst Eure innere Schönheit nach außen strahlen, dann leuchtet Ihr wie der hellste Stern am Himmel. Meine Pasten und Salben können zwar heilen, aber Schönheit zaubern, das können sie nicht. Das allein ist Euer Verdienst.«
Rosaria griff nun nach dem Ebenholzkästchen auf dem kleinen Schminktisch. In dem Kästchen waren alle Dinge, die junge Frauen
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