Medaillon des Schicksals (German Edition)
lautete:
»Meine Braut ist schön wie eine Rose,
und wer die Rose liebt, liebt auch den Dorn.
Meine Liebe ist glühend wie eine Rose,
und wer die Liebe ehrt, ehrt auch den Zorn.«
Jetzt war allen Anwesenden klar, dass es sich bei dieser Liebeserklärung nur um eine Hommage an Isabella handeln konnte, denn ein jeder der Anwesenden hatte sich seit Isabellas Ankunft auf der Burg davon überzeugen können, dass sie wahrhaftig eine Rose mit ziemlich spitzen Dornen war, an denen man sich leicht verletzen konnte.
Nur eine klatschte nicht, sondern saß wie erstarrt und konnte ihren Blick nicht von dem Ritter in der grünweißen Kleidung wenden: Rosaria.
Denn Giacomo di Algari war niemand anderes als der junge Mann, dem Rosaria im Bordell in San Gimignano begegnet und der ihr in so mancher Nacht im Traum erschienen war. Der Mann im bestickten Leinenhemd mit den aschgrünen Augen und den dunklen Haaren, der beide Hände nach ihr ausstreckte ...
Rosaria saß noch immer wie erstarrt, als das Turnier schon in vollem Gange war.
Ohne etwas wahrzunehmen, schaute sie auf den Platz, auf dem nun die jungen Ritter um den Lorbeerkranz kämpften.
Rosaria verfolgte die Lanzenkämpfe, stimmte ein in die Rufe, die jeden einzelnen Wettkampf begleiteten, doch in Wahrheit sah und hörte sie von alldem nichts. Ihr Kopf war wie in Watte gehüllt, und in ihren Ohren summte lauter denn je das Orakel der Wahrsagerin Ambra: »In deiner Hand steht geschrieben: Dein Leben für deine Liebe, es sei denn, der Liebste gibt sein Leben für das deine. Nur der Liebste oder aber die eigene Mutter vermögen es, mit ihrem Leben das deinige zu retten.«
Und in dem Augenblick, als Giacomo auf seinen ersten Gegner zuritt und sich dabei Rosarias Herz aus Furcht verkrampfte, ihm könne etwas geschehen, ahnte sie bereits, dass sie ihr Herz verloren hatte.
Verloren im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn eine Liebe zwischen dem jungen Conte Giacomo di Algari und der Olivenhändlerin Rosaria war so undenkbar wie die Vorstellung, dass sich Sonne und Mond eines Tages begegnen könnten. Undenkbar auch ohne das furchtbare Orakel, das das Leben des Liebsten oder das eigene einforderte.
Und erst in diesem Augenblick, da sie auf der harten Bank am Rande des geschmückten Burghofes saß, begriff sie das ganze Ausmaß der Prophezeiung.
Eine Liebe, die das Leben des Liebsten erforderte, war die größte und schwerste Prüfung, die einem Menschen von Gott auferlegt werden konnte.
Das Liebste hergeben, nein, dachte Rosaria, das könnte ich nicht. Der Schmerz würde mich umbringen, auch wenn es heißt, dass die Liebe sogar den Tod besiegen kann. Wenn mein Liebster stürbe, dann stürbe auch ein Teil von mir und ich würde den Rest meines Lebens wie eine leere Hülle verbringen, weil mir das Wichtigste und Wertvollste genommen wäre.
Wäre es da nicht besser, das eigene Leben für die Liebe zu geben?
Aber nein, dachte Rosaria angstvoll. Ich will nicht sterben. Ich möchte lachen und weinen, singen und tanzen, möchte Kinder haben. Viele Kinder, die mir gleichen. Sie dachte an den Tod, hörte in Gedanken das Rasseln einer Sense, sah die schwarz gekleidete Gestalt mit höhnischem Lachen auf sich zukommen – und schloss die Augen. Nicht, bitte nicht, heilige Madonna, betete sie lautlos. Bitte lass mich noch ein bisschen leben, ich will nicht sterben, noch nicht jetzt. Reicht es nicht, auf eine Liebe verzichten zu müssen? Ist solch ein Leben nicht wie ein kleiner Tod bei lebendigem Leib?
Sie seufzte tief auf und schmiegte sich plötzlich, einem inneren Antrieb folgend, den sie selbst nicht erklären konnte, an Raffael. Wie gut, dass ich ihn habe, dachte sie. Er kann mir nicht genommen werden, er nicht, denn ich liebe ihn nicht. Wenn wir heiraten, dann werden wir beide leben. Wir werden lachen, singen und gemeinsam Kinder haben.
Und so an Raffael gelehnt, der den Arm um sie geschlungen hatte, verfolgte sie mit klopfendem Herzen und bebender Brust das Turnier, während der Schmerz der unerfüllten Liebe wie rasend in ihr tobte und sie nichts, rein gar nichts, dagegen unternehmen konnte, als tief aus dem Innersten ihrer Seele zu seufzen.
Und als könnte sie diesen Schmerz mit Worten besänftigen oder gar zur Ruhe bringen, beugte sie sich zu Raffaels Ohr und bat ihn flüsternd: »Bitte, Raffael, lass uns heiraten, sobald wir in Florenz sind. Ich möchte recht bald deine Frau werden. Ich glaube, die Zeit der Trauer ist vorbei.«
Raffael zog sie enger an sich, ein lüsternes
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