Medaillon des Schicksals (German Edition)
Arm Besitz ergreifend auf die Lehne des Nachbarstuhls gelegt und kümmerte sich einen Dreck um das Unbehagen seiner Frau. Ungeniert beglotzte er dabei seine Schwiegertochter, schmatzte und leckte sich ein um das andere Mal die schmalen Lippen. Hinter dem Ehepaar saß Daria, die, noch immer die weiße Lilie ihres Verehrers in der Hand haltend, selig vor sich hin lächelte.
Hinter Giacomo hatte der Kaufmann Panzacchi Platz genommen. Trotz der sommerlichen Hitze hatte er nicht darauf verzichten können, seinen Reichtum in Gestalt eines edlen Hermelin-Umhangs, der ihm immer wieder von den Schultern zu rutschen drohte, zur Schau zu stellen. Sein Gesicht war gerötet, auf der Stirn sammelten sich die Schweißperlen, und immer wieder musste er sich mit einem Batisttüchlein das Gesicht abwischen. Doch lieber wäre er wohl vor Hitze unter seinem Pelz erstickt, als dass er ihn abgelegt hätte.
An der Seite hatte ein Priester Platz genommen, um in Kürze offiziell die Verlobung zu vollziehen, und zwar so, wie der Florentiner Kaufmann es sich ausbedungen hatte: eine Verlobung, die alle Rechte und Pflichten einer Ehe mit sich brachte, aber die Jungfräulichkeit der Braut unangetastet lassen musste.
Doch ganz so weit war es noch nicht. Giacomo hatte sich gewünscht, das Eheversprechen genau um die Stunde der Mitternacht zu geben. Zuvor sollten die Musiker zum Tanz aufspielen, die Gaukler, Schauspieler und Feuerschlucker, die Sänger und Artisten ihre Künste vortragen. Es war schließlich die Johannisnachtjene Nacht, die als die längste des ganzen Jahres galt. Solch eine Nacht war nicht zum Schlafen da, sondern um ein rauschendes Fest zu feiern. Dass die Verlobung ausgerechnet heute am Tage des Schutzpatrons der Toskana und der Stadt Florenz im Besonderen abgehalten wurde, war eine Gunstbezeugung an Isabella und die Familie Panzacchi. Also musste sich die Schöne in die Wünsche ihres Bräutigams fügen, auch wenn sie lieber so schnell wie möglich die offizielle Zeremonie hinter sich gebracht hätte.
Isabella wollte eine di Algari werden; um jeden Preis wünschte sie in den Adelsrang erhoben zu werden, der ihr, wie sie fand, zustand. Durch welchen Mann sie in diesen Stand geriet, war ihr zunächst gleichgültig, denn Isabella ging es nicht um die Liebe zu einem Mann: Ihr ging es einzig und allein um die Liebe zu sich selbst. Und diese Selbstliebe war so grenzenlos, dass andere Menschen in Isabella nur sehr selten Gefühle auslösten, und wenn, dann waren es meist negative.
Giacomo aber gefiel ihr. Sie liebte sein Äußeres, sein selbstbewusstes, souveränes Auftreten. Ein schöner Mann an der Seite einer schönen Frau ergab zusammen ein Paar von doppelter Schönheit. Ja, es war ganz in Isabellas Sinn, gemeinsam mit Giacomo ein schönes Paar abzugeben. Die Florentinerin wusste schon jetzt, dass ihre gleichermaßen verwöhnten und eingebildeten Freundinnen sie um diesen Mann beneiden würden.
Doch um zu diesem Ziel zu gelangen, musste sie erst noch die Darbietungen und Zerstreuungen, die zum Fest gehörten, über sich ergehen lassen.
Mit gelangweilter Miene ließ sie deshalb das frivole Schauspiel an sich vorbeiziehen und hatte für die Heiterkeit der Gäste nur ein verächtliches Lächeln übrig. Sie verstand den Szenenbeifall nicht und auch nicht, was dieser Boccacio an sich hatte, dass alle Welt nach seinem Decamerone gierte. Für sie war der Dialog zwischen einer jungen Schauspielerin, die lediglich in ein weißes Tuch gehüllt war, und einem älteren Schauspieler im Mönchsgewand ein langweiliges Hin und Her von Worten, das auch durch die angedeutete Handlung von der geschlechtlichen Liebe nicht an Reiz gewann.
Gespielt wurde das Erlebnis der ebenso frommen wie naiven Alibech, die einer heidnischen Familie entstammt und zu den Einsiedlern in die Wüste von Theben geschickt wird, um von ihnen den richtigen Gottesdienst zu erlernen. Doch die frommen Einsiedler lehnen die Aufnahme Alibechs ab, da sie beim Anblick ihrer Schönheit um die eigene Keuschheit fürchten. Nur Rustico, ein besonders gottesfürchtiger Mann, fordert sie zum Bleiben auf, denn er sieht in Alibechs Schönheit und der damit verbundenen Versuchung eine göttliche Prüfung. Doch bald schon ist es mit seiner Beherrschung vorbei. Unter dem Vorwand, einen Gottesdienst zu verrichten, bittet er sie, sich wie er auszuziehen. Auf sein mittlerweile erhobenes Glied aufmerksam geworden, erklärt er Alibech, dass es sich dabei um den Teufel handle, der ihn
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