Medaillon des Schicksals (German Edition)
Kompliment?
Doch Neid, Eifersucht und Hochmut waren Eigenschaften, die der Comtess im Grunde sehr fremd waren.
Mit großer Herzlichkeit ergriff sie Isabellas Hand und sagte mit weicher, freundlicher Stimme: »Willkommen, Isabella aus Florenz. Ich freue mich, dass Eure Schönheit neuen Glanz in unsere Burg zaubert, freue mich auch, in Euch eine Freundin zu finden.«
Isabella nickte huldvoll, und das Gesicht des Kaufmanns verlor jede Anspannung. Würdevoll reichte er der Contessa Donatella di Algari den Arm, während Daria sich bei Isabella einhakte.
Dann schritten sie in die Halle der Burg, um eine Stärkung zu sich zu nehmen, bevor sie sich von der Reise erholten und auf die beginnenden Festlichkeiten am Abend vorbereiteten.
Allem Anschein nach war mit Rosarias Eingreifen – welches im Übrigen ganz und gar den Regeln einer Burg widersprach, wofür sie jedoch niemand schalt – die schlechte Stimmung verflogen. Trotzdem blickte Rosaria schuldbewusst zu Contessa Donatella, deren Gesicht sie heute zum ersten Mal sah, doch diese lächelte ihr zu, und in ihrem Lächeln lagen Dankbarkeit und ein leiser Anflug von Bewunderung.
Als Isabella jedoch die Burghalle betrat, verdüsterte sich ihre Miene erneut.
»Hier soll ich leben? In dieser freudlosen Halle? Warum ziert kein Fresko die Wände? Warum ist die Decke nicht bemalt?«, zeterte sie.
Doch Daria hatte genug Selbstbewusstsein aus dem Vorfall auf dem Burghof gewonnen, dass sie mit großer Würde erwidern konnte: »Isabella, die Wände und die Decke warten darauf, verziert zu "werden. Ein Bildnis der heiligen Madonna wird bald als Fresko der Raum schmücken, und an der Decke werden die schönsten Sterne des Himmels für Euch leuchten. Doch wer eignet sich besser als Modell für die Madonna als Ihr?«
Diese Erklärung leuchtete der eitlen und maßlos verwöhnten Florentinerin ein, sodass sie klaglos das bescheidene, aber typisch toskanische Mahl, die auf der Burg so heiß geliebte ›Torti‹, zu sich nahm und sogar deren köstlichen Geschmack lobte.
Und das zu Recht, denn schon in aller Herrgottsfrühe war die Köchin mit der Zubereitung dieser Tortia beschäftigt gewesen. Zuerst hatte sie die zartesten Hühnchen, die aufzutreiben waren, in Öl gebraten, ihr Fleisch sorgsam zerhackt und darauf geachtet, dass sich auch nicht der kleinste Knochensplitter darin versteckte. Dann hatte sie das Fleisch mit Zwiebeln, Petersilie, Eiern, Safran und Thymian zu einer würzigen Wurst verarbeitet. Mit Käse, Mehl, Knoblauch und Ingwer hatte sie die Ravioli bereitet, die zudem noch mit Schinken und Schweinefleisch gefüllt waren. Zum Schluss hatte sie alle Zutaten abwechselnd mit der Hühnerwurst, den Ravioli, dazu Datteln und Mandeln zu einer Pastete geschichtet, die unter großer Vorsicht und mit viel Fingerspitzengefühl im Backofen gebacken worden war und nun die Luft mit den köstlichsten Gerüchen erfüllte.
Während die Vorbereitungen zum abendlichen Fest in vollen Zügen voranschritten, ruhte Isabella, die bereits am ersten Tag ihrer Ankunft unter den Bediensteten den Spitznamen ›Principessa capriciosa‹ erworben hatte, in einer Kammer, die extra nach ihren Wünschen hergerichtet worden war.
Rosaria aber ging daran, dem Liebestrank die letzte Würze zu geben, indem sie zwei Teile Zucker und einen Teil Wasser dem Gemisch aus Thymian, Zitrone, Zimt, Vanille, Muskat und Koriander zusetzte und alles noch ein letztes Mal gut durchschüttelte. Zum Schluss goss sie den nun fertigen Trank durch ein feines Sieb und füllte ihn in eine bauchige Flasche, die sie anschließend gut verbarg, denn Paola hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass Liebestränke Unheil anrichten konnten, wenn sie in falsche Hände gerieten.
Rosaria verließ ihre Unterkunft, verstaute alle Gerätschaften im Wagen und setzte sich dann einige Minuten auf ein kleines Mäuerchen im Burghof.
Die Sonne schien strahlend hell an diesem Johannistag. Das Blau des Himmels war so klar, dass es in den Augen schmerzte. Winzige bauchige Plusterwolken, die aussahen wie Engelbetten, schwebten über die Toskana.
Im Hof waren die Bediensteten gerade damit beschäftigt, einen Baldachin aus leichtem blauen Stoff, der über und über mit goldenen Sternen bestickt war, über einen Teil des Hofes zu spannen. Darunter waren mehrere gepolsterte Lehnstühle geschoben, damit die Damen – allen voran Isabella – unter einem Schattendach dem am frühen Nachmittag beginnenden Turnier zu Ehren der Braut beiwohnen
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