Medaillon des Schicksals (German Edition)
sondern um den Mann, der diesen Namen trug und sich ihr entzog. Sie hatte in der Wäschekammer erlebt, dass die ehelichen Pflichten mit großen Freuden verbunden sein konnten. Nun, auch auf diese Freuden, von denen sie als Zuschauerin ein wenig gekostet hatte und die ihr überaus erregend erschienen waren, wollte sie auch nicht verzichten. Ein Leben wie das der Donatella di Algari würde Isabella niemals führen wollen. Sie war eine temperamentvolle Frau und daran gewöhnt, sich zu nehmen, was sie wollte. Und den Conte Giacomo di Algari wollte sie mit aller Macht.
In der Florentinerin war das Jagdfieber erwacht. Und da sie einem gefährlichen Raubtier glich, das seine Beute zuerst in Sicherheit wiegte, um sie dann mit Haut und Haaren zu verschlingen, stand sie nun am Fenster, sah in die mondhelle Nacht, und um ihre Mundwinkel spielte ein tückisches Lächeln.
»Warte nur, Giacomo di Algari, ich kriege dich«, murmelte sie wie eine Beschwörung vor sich hin. »Und dich, Rosaria, werde ich das Fürchten lehren. Für dich hat der Kauz sein Abschiedslied gesungen.«
Dann holte sie sich einen dünnen Umhang, drapierte ihn gekonnt um ihre Schultern, sodass diese vor der Nachtkühle geschützt, ihr weißer, schimmernder Busen jedoch noch deutlich zu sehen war, und verließ ihre Kammer.
Lautlos schlich sie durch die dunklen Gänge, die still und verlassen dalagen. Das Fest war seit über einer Stunde vorüber, und die Burg lag in tiefem Schlaf.
Isabella aber huschte durch das Dunkel und blieb schließlich vor der Kammer des Conte di Algari stehen. Sie sah sich nach allen Seiten um, ehe sie leise, aber energisch an die Tür klopfte.
Sobald sie ein mürrisches »Was ist denn los? Wer stört mich da?« hörte, öffnete sie die Tür und schlüpfte in die Kammer.
Der Conte schlief noch nicht. Er saß an einem kleinen Sekretär und kramte in Papieren herum. Das offene Tintenfass und die bereit liegende Feder zeigten Isabella, dass der Mann gerade im Begriff gewesen war, ein Schreiben aufzusetzen. Neben dem Tintenfass stand eine halb leere Weinkaraffe, davor ein gefülltes Glas.
Doch Isabella interessierte sich nicht für die Geschäfte des Grafen, zumindest jetzt nicht.
»Ich muss mit Euch reden«, sagte sie und setzte sich ungefragt auf einen der beiden hohen Lehnstühle, deren Polster abgewetzt waren. »Es ist dringend.«
Der Conte nickte. »Das hoffe ich für Euch. Ich mag es nämlich nicht, um diese Zeit noch gestört zu werden.«
Isabella achtete nicht auf den Einwand, sondern atmete tief durch. Sie musterte den Conte, der noch immer seine Festkleider trug, die nun allerdings von Flecken übersät waren und schäbig wirkten. Schäbig wie alles auf dieser Burg, dachte Isabella mit einem heimlichen Anflug von Verachtung.
»Also, was ist? Was hat Euch des Nachts in die Kammer eines verheirateten Mannes getrieben?«, fragte der Conte und lachte keckernd.
»Es ist jetzt nicht die Zeit für Neckereien«, erwiderte Isabella kühl. »Ich habe wichtige Nachrichten für Euch, die nicht bis zum Anbruch des Morgens warten können. Ihr tätet gut daran, mir zuzuhören.«
Der Conte lächelte noch immer, doch er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.
»Rosaria, die Olivenhändlerin, ist eine Hexe.«
Isabella sprach diesen Satz aus, als handelte es sich dabei um eine ungeheuerliche Neuigkeit, und beobachtete mit Verwunderung, dass der Conte ob dieser Nachricht herzhaft gähnte.
»Was ist daran neu?«, fragte er. »Natürlich ist sie eine Hexe. Jede Frau, die sich in der Heilkunde auskennt, ist eine Hexe.«
»Ein Kräuterweib, ja, aber noch keine Hexe, die eine Buhlschaft mit dem Teufel hat und mit ihren Flüchen Unheil bringt.«
»Habt Ihr sie gesehen, die Hexe mit dem Teufel? Habt Ihr gesehen, wie sie miteinander Buhlschaft getrieben haben? Warum habt Ihr mich nicht gerufen? Das wäre eine wirkliche Neuigkeit gewesen!«
Isabella bemerkte, dass der Conte sich über sie lustig machte.
Im kühlsten und schnippischsten Ton erwiderte sie: »Gut, Conte, wenn Ihr mir nicht glaubt und nichts unternehmt, so werdet Ihr doch verstehen müssen, dass ich keinen Tag länger auf einer Burg bleiben kann, die ganz offensichtlich verflucht worden ist.«
Sie machte eine kleine Pause, um die Wirkung der nächsten Worte zu steigern, und erhob sich.
»Ich reise ab!«
Jetzt wurde der Conte ernst. Er dachte an seine Finanzen, dachte auch daran, dass die Gläubiger ihn verfolgten wie die
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