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Media Control

Media Control

Titel: Media Control Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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Gedächtnis zurückgerufen«. 73 Worum es bei dem Problem der vermißten US-Soldaten wirklich geht, erhellt eine Statistik, die der Historiker und Vietnam-Veteran Terry Anderson anführt:
    »Die Franzosen zählen noch immer 20000 Vermißte aus ihrem Krieg in Indochina, die Vietnamesen 200000. Die Vereinigten Staaten zählen noch 80000 Vermißte aus dem Zweiten Weltkrieg und 8000 aus dem Koreakrieg; das sind etwa 20 bzw. 15 Prozent der in diesen Konflikten als gefallen bestätigten Soldaten; für den Vietnamkrieg beträgt die Zahl 4 Prozent.« 74
    Die Franzosen haben mit Vietnam diplomatische Beziehungen aufgenommen, so wie die USA nach dem Zweiten Weltkrieg mit Japan und Deutschland. Anderson fügt hinzu: »Wir haben 1945 den Krieg gewonnen, mithin scheinen vermißte Soldaten nur wichtig zu sein, wenn die Vereinigten Staaten einen Krieg verlieren. Der wahre ›edle Beweggrund‹ für die Regierung [von Ronald Reagan] ist nicht der Krieg, sondern der emotional geführte Kreuzzug mit dem unmöglichen Ziel, ›alle auffindbaren Überreste in die Heimat zu holen‹.« Genauer gesagt, liegt der »edle Beweggrund« in der Ausbeutung persönlicher Tragödien zu politischen Zwecken: Man will das Vietnam-Syndrom überwinden und »Vietnam ausbluten lassen«.
    Lee Hamilton, ein einflußreicher demokratischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus, schreibt: »Fast fünfzehn Jahre nach dem Vietnamkrieg bleibt Südostasien eine Region von großer humanitärer, strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung für die Vereinigten Staaten.« Der humanitäre Aspekt umfaßt zwei Fälle: 1. »Nahezu 2400 amerikanische Soldaten werden in Indochina noch vermißt«; 2. »Mehr als eine Million Kambodschaner sind durch Pol Pots unbarmherziges Regime umgekommen.« Die noch viel größere Zahl derer, die durch Washingtons unbarmherzige Angriffe umgekommen sind, bleibt unerwähnt. Am linksliberalen Ende des politischen Spektrums drängt ein hochrangiger Vertreter der Carnegie Foundation for International Peace auf die Aussöhnung mit Vietnam. Wir sollten »die Leiden der vietnamesischen Erfahrung« und die »Verletzungen der Vergangenheit« hinter uns lassen und »Haß, Ärger und Enttäuschung«, die uns von den Vietnamesen zugefügt wurden, überwinden, aber nicht die »aus dem Krieg resultierenden humanitären Probleme« vergessen, nämlich die vermißten amerikanischen Soldaten. Die humanitären Impulse, von denen die zutiefst moralische amerikanische Gesellschaft sich leiten läßt, sind so stark verwurzelt, daß selbst der dem rechten Flügel angehörende
    Senator John McCain jetzt für diplomatische Beziehungen zu Vietnam eintritt, obwohl er »als ehemaliger Pilot der Navy fünfeinhalb Jahre gegen seinen Willen im Hanoi-Hilton zubringen mußte«, kommentiert David Greenway vom Boston Globe und fügt hinzu: »Wenn McCain seine Bitterkeit überwinden kann, sollten wir alle dazu in der Lage sein.« 75 Greenway kennt Vietnam gut und hatte sich als Kriegskorrespondent in außerordentlicher Weise hervorgetan. Aber in dem jetzt herrschenden moralischen Klima scheinen die Intellektuellen, an die er sich richtet, die Forderung, wir sollten unsere Bitterkeit gegenüber den Vietnamesen überwinden, nicht weiter merkwürdig zu finden.
    »In der Geschichte«, bemerkt Francis Jennings, »bleibt der Mann mit dem Rüschenhemd und der goldbestickten Weste von dem Blut, das zu vergießen er den Knechten mit den schmutzigen Händen befahl, irgendwie unberührt.« 76
    Diese Beispiele illustrieren die Macht des Systems, das notwendige Illusionen erzeugt. Ihr fallen zumindest die gebildeten Eliten, auf welche die Propaganda vorrangig zielt, zum Opfer. Wenn es der Indoktrination gelingt, die Vereinigten Staaten als unschuldiges Opfer Vietnams darzustellen und zur gleichen Zeit die exzessive Selbstgeißelung der Nation zu beklagen, sind ihren Mechanismen offenbar keine Grenzen gesetzt.
    Der Rechtsruck der gebildeten Eliten nahm in den späteren Jahren der Regierung Carter und während der Amtszeit von Präsident Reagan politische Gestalt an. Aber die Reaganisten mußten einsehen, daß das »Vietnam-Syndrom« eine harte Nuß war, und so war der Staat durch den Feind im eigenen Land gezwungen, zu klandestinen Operationen Zuflucht zu suchen.
    Als Mitte der achtziger Jahre die Kosten der Reaganschen Aufrüstungspolitik sichtbar wurden - Haushalts- und Handelsdefizite sowie beträchtliche Auslandsschulden -, ließ sich vorhersehen, daß das »Reich des Bösen« auf

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