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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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etwas Lebhaftes. Schließlich stimmte er heiser des Baders altes Liebeslied an:
    »Deine Blicke liebkosten mich einst,
    Deine Arme umfangen mich jetzt,
    Drum schwöre keinen sinnlosen Eid,
    In mein Bett kommst du doch noch zuletzt.«
    Das war bestimmt nicht das passende Lied für ein sterbendes Kind, doch der mullah , der ungläubig Robs Possen bestaunte, sorgte für Feierlichkeit und ein Gebet, während Rob etwas Lebensfreude beisteuerte. Die Worte verstanden die beiden ohnehin nicht, also war Robs Benehmen nicht unehrerbietig. Er sang Bilãl mehrere Strophen vor und sah dann, wie sich der Körper des Kindes in einem letzten Krampf zu einem Bogen krümmte. Immer noch singend, fühlte Rob, wie der letzte Puls in Bilãls Halsschlagader verebbte.
    Er schloß ihm die Augen, wischte den Schleim von seiner Nase, streckte die Leiche und säuberte sie. Dann kämmte er Bilãls Haar und band sein Kinn mit einem Tuch hoch.
    Der mullah sang noch immer mit gekreuzten Beinen aus dem Qu'ran . Seine Augen funkelten; er war imstande, gleichzeitig zu beten und zu hassen. Zweifellos würde er sich darüber beschweren, daß der Dhimmi ein Sakrileg begangen hatte, aber in seinem Bericht würde nicht stehen, daß Bilãl kurz vor seinem Tod noch gelächelt hat.

    In vier von sieben Nächten holte ihn Wasif, und er blieb bis zu den frühen Morgenstunden im Turmharem.
    Sie erteilten einander Sprachunterricht.
    »Der Schwanz.«
    Sie lachte. »Nein, dein lingam , und das ist meine yoni .«
    Sie behauptete, daß die beiden gut zueinander paßten.
    »Ein Mann ist entweder ein Hase, ein Stier oder ein Pferd. Du bist ein Stier. Eine Frau ist entweder eine Hindin, eine Stute oder eine Elefantenkuh, und ich bin eine Hindin. Das ist gut. Einem Hasen würde es schwerfallen, einer Elefantenkuh Liebesfreude zu bereiten«, sagte sie ernst. Sie war die Lehrerin, er der Schüler, als wäre er wieder ein Junge und hätte nie geliebt. Sie tat Dinge, die er aus den Bildern in dem Buch kannte, das er auf dem maidan gekauft hatte, und etliches mehr, das im Buch nicht enthalten war. Sie zeigte ihm kshiraniraka , die Milch-und-Wasser-Umarmung. Die Stellung von Indras Frau. Die auparishtaka Mund-Begegnung.
    Anfangs war er fasziniert und entzückt, als sie vom Karussell über das Klopfen an der Tür zum Beischlaf des Schmiedes gelangten. Er wurde ärgerlich, als sie versuchte, ihm die richtigen Laute beim Höhepunkt beizubringen: sut oder plat statt des Stöhnens.
    »Entspannst du dich nie und fickst einfach drauflos? Es ist ja schlimmer, als fiqh auswendig zu lernen.«
    »Es ist vergnüglicher, wenn man es erlernt hat«, entgegnete sie beleidigt.
    Der Vorwurf in ihrer Stimme beeindruckte ihn nicht. Außerdem zog er es vor, wenn Frauen ihre Körperhaare nicht entfernten.
    »Genügt dir der alte Mann nicht?«
    »Früher einmal war er mehr als genug. Seine Manneskraft war einmalig. Er liebte das Trinken und Frauen, und in der richtigen Stimmung machte er die Schlange, die weibliche Schlange.« In ihren Augen glänzten Tränen.
    »Aber er hat seit zwei Jahren nicht mehr mit mir geschlafen. Als sie krank wurde, hat er damit aufgehört.«
    Despina hatte ihr Leben lang Ibn Sina gehört. Sie war die Tochter von zwei seiner Sklaven, einer Inderin und einem Perser, der sein vertrauter Diener gewesen war. Ihre Mutter starb, als sie sechs Jahre alt war. Der alte Mann hatte sie beim Tod ihres Vaters geheiratet - da war sie zwölf gewesen - und sie nie freigelassen.
    Rob berührte ihren Nasenring, das Symbol ihrer Sklaverei. »Und warum nicht?«
    »Als sein Eigentum und als seine zweite Frau bin ich doppelt geschützt.«
    »Was wäre, wenn er jetzt hier heraufkäme?« Er dachte an die einzige Treppe.
    »Wasif steht unten, er würde ihn ablenken. Aber er sitzt an Rezas Lager und läßt ihre Hand nicht los.«
    Rob blickte Despina an, nickte und empfand Schuld, die unbewußt in ihm gewachsen war. Er mochte das kleine, schöne Mädchen mit der olivfarbenen Haut, den winzigen Brüsten, dem runden Bäuchlein und dem heißen Mund. Er bedauerte sie, weil sie dieses Leben führte, eine Gefangene in einem luxuriösen Gefängnis. Er wußte, daß die islamische Tradition sie die meiste Zeit im Haus und in den Garten einsperrte, und er machte ihr keine Vorwürfe, aber er hatte den verbrauchten alten Mann mit dem glänzenden Verstand und der großen Nase ins Herz geschlossen.
    Er stand auf und begann sich anzuziehen. »Ich werde dein Freund bleiben.«
    Sie war nicht dumm. Sie beobachtete

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