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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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um Aufschluß über die Gesundheit und die Stimmung des Patienten zu erhalten. Und er hatte reichlich Gelegenheit zu üben. Verzweifelte Menschen strömten in Scharen zum Arzt aller Ärzte, und viele suchten Wunderheilung. Reiche und Arme wurden zwar gleich behandelt, aber Ibn Sina und Rob konnten nur wenige Patienten annehmen und mußten die meisten an andere Ärzte verweisen. Ein großer Teil von Ibn Sinas medizinischem Wirken galt dem Schah und geachteten Mitgliedern von dessen Gefolge. So schickte eines Morgens der hakim-bashi Rob ins Haus des Paradieses, weil Siddha, die Frau des indischen Waffenschmiedes Dhan Vangalil, an einer Kolik litt.
    Als Übersetzer wählte Rob Alãs persönlichen mahout , den Inder Harsha. Siddha erwies sich als freundliche Frau mit rundem Gesicht und ergrauendem Haar. Die Familie Vangalil verehrte Buddha, somit galten hier die mohammedanischen Verbote nicht, und Rob konnte den Bauch der Frau abtasten, ohne bei den mullahs angezeigt zu werden. Nachdem er Siddha eingehend untersucht hatte, kam er zu dem Schluß, daß sie an Ernährungsstörungen litt, denn Harsha erzählte ihm, daß weder die Familie des Schmieds noch die mahouts genügend Kümmel, Gelbwurzel oder Pfeffer erhielten, Gewürze, an die sie ihr Leben lang gewöhnt waren und die sie für ihre Verdauung brauchten. Rob brachte die Angelegenheit in Ordnung, indem er dafür sorgte, daß die Inder diese Gewürze erhielten. Er hatte schon die Achtung einiger mahouts erworben, als er die Kampfwunden ihrer Elefanten behandelt hatte, und nun gewann er auch die Dankbarkeit der übrigen und der Vangalils. Er besuchte sie öfter, denn es faszinierte ihn, was Dhan Vangalil alles mit Stahl anfangen konnte. Dhan hatte über einer seichten Mulde im Boden einen Schmelzofen errichtet: Lehmwände, umgeben von einer dickeren, äußeren Mauer aus Steinen und Schlamm, mit Bändern aus Schößlingen zusammengehalten. Der Ofen war schulterhoch, einen Schritt breit und verjüngte sich oben etwas, um die Hitze zu konzentrieren und die Wände gegen Risse zu schützen.
    In diesem Ofen stellte Dhan Schmiedeeisen her, indem er abwechselnd Lagen von erbsen- bis nußgroßer Holzkohle und persischem Erz schichtete. Um den Ofen war ein Graben ausgehoben worden. Dhan saß mit den Füßen in diesem Graben am Rand und betätigte Blasebälge aus ganzen Ziegenhäuten, um genau berechnete Mengen Luft in die glühende Masse zu leiten. Im heißen Feuer wurde das Erz zu Tropfen einer Art metallischen Regens reduziert. Diese Teilchen setzten sich im Ofen und sammelten sich auf dem Boden zu einem tropfsteinartigen Gemisch von Holzkohle, Schlacke und Eisen, das Vorblock genannt wurde. phan hatte das Spundloch mit Lehm verschlossen, den er jetzt aufbrach, um den Vorblock herauszuziehen. Durch kräftiges Hämmern, das ein wiederholtes Erhitzen im Schmiedefeuer erforderte, wurde er geläutert. Das reduzierte Schmiedeeisen war von sehr guter Beschaffenheit.
    Es sei jedoch noch weich, ließ Dhan Harsha übersetzen. Die quadratischen Barren des indischen Stahls, den die Elefanten von Kausambi hierher befördert hatten, waren dagegen sehr hart. Dhan schmolz mehrere von ihnen und löschte dann das Feuer. Nach dem Auskühlen war der Stahl äußerst spröde, er zerschlug ihn und häufte ihn auf Stücke des Schmiedeeisens.
    Nun ließ der zwischen seinen Ambossen, Zangen und Hämmern schwitzende drahtige Inder seinen Bizeps wie eine Schlange spielen, während er das weiche und harte Metall verband. Er schweißte mit Hilfe des Feuers mehrere Lagen von Eisen und Stahl zusammen, hämmerte wie besessen, drehte und schnitt, überlappte, klappte das Blech zusammen und hämmerte immer wieder. Er mischte das Metall, wie ein Töpfer den Ton oder eine Frau das Brot knetet. Während Rob ihm zusah, wußte er, daß er die Vielfalt, die Varianten, die ein subtiles Können erforderten, das seit Generationen weitergegeben worden war, nie erlernen konnte; aber er begriff den Vorgang zum Teil, zumal er unzählige Fragen stellte.
    Dhan schmiedete einen scimitar , einen Krummsäbel, und härtete die Waffe in mit Zitronenessig befeuchtetem Ruß, was eine säuregeätzte Klinge mit Wirbelmuster und bläulicher, rauchgrauer Farbe ergab. Aus Eisen allein wäre sie weich und stumpf gewesen, allein aus dem harten indischen Stahl dagegen zu spröde. Dieses Schwert hatte eine scharfe Schneide, die einen herabfallenden Faden in der Luft zerschneiden konnte, und es war eine geschmeidige Waffe. Die Schwerter, die

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