Medicus 03 - Die Erben des Medicus
werden...
»Das ist wie eine Feuerpause damals im Bürgerkrieg«, sagte Abbie Oliver, »als die Soldaten aus ihren Gräbern kletterten und Essen und Tabak tauschten.«
»Ja, das könnte man sagen. Nur - ich rauche nicht.«
»Ich auch nicht«
Sie unterhielten sich über Musik. Es zeigte sich, daß beide eine Schwäche für Mozart hatten, Ozawa bewunderten und den Verlust von John Williams als Dirigent der Boston Pops bedauerten.
Abbie Oliver spielte Oboe. R.J. erzählte ihr von ihrer Gambe.
Doch schließlich war der Kaffee ausgetrunken.
R.J. lächelte, schob den Stuhl zurück, und Abbie Oliver nickte und bedankte sich. Während R.J. zahlte, ging die Frau in den Regen hinaus. Als R.J. aus dem Cafe kam, hatte Abbie ihr Schild schon wieder aus dem Auto geholt und ging vor der Klinik auf und ab. Als R.J. die Treppe hochstieg, mieden beide Frauen den Blickkontakt.
Der Ex-Major
Ihren Garten mußte R.J. in abgezwackten halben Stunden bestellen, wenn sie spätnachmittags aus der Praxis zurückkehrte. Oft arbeitete sie bis nach Einbruch der Dunkelheit, und ihre Tomaten- und Paprikasetzlinge mu ßte sie bei Nieselregen pflanzen, was gärtnerisch nicht gerade klug, aber zeitlich nicht anders möglich war. Das war Gartenarbeit häppchenweise, aber irgendwie gefiel es ihr auch, und sie genoß die Verheißung der Scholle, die sie spürte, sooft sie Erde an den Händen hatte. Und der Garten gedieh. An einem späten Mittwochnachmittag kauerte sie vor ihren Hochbeeten und erntete gerade Blattsalat, als ein Auto mit einem Nummernschild aus Connecticut vor ihrer Zufahrt abbremste und einbog. Sie richtete sich auf und sah zu, wie der Fahrer ausstieg und hinkend auf sie zukam. Schlank, aber um die Taille herum etwas voll, mittleren Alters, mit hoher Stirn, eisengrauen Haaren und einem buschigen Schnurrbart. »Dr. Cole?«
»Ja.«
»Ich bin Joe Fallon.«
Im ersten Augenblick sagte ihr der Name nichts, doch dann erinnerte sie sich an den Raketenangriff auf den Mannschaftswagen, von dem David ihr erzählt hatte, bei dem ein katholischer Geistlicher verwundet und ein zweiter getötet worden war.
Unwillkürlich sah sie an seinen Beinen hinunter.
Er bemerkte es. »Ja.« Er hob das rechte Knie und klopfte auf den unteren Teil des Beins.
Es klang massiv hölzern. »Dieser Joe Fallon«, sagte er und grinste.
»Waren Sie der Lieutenant oder der Major?«
»Der Major. Der Lieutenant war Bernie Towers. Möge er in Frieden ruhen! Aber ich bin schon seit langer Zeit nicht mehr Major. Und was das angeht, seit langer Zeit auch kein Priester mehr.«
Er entschuldigte sich, weil er ohne Voranmeldung bei ihr aufgetaucht sei. »Ich bin unterwegs zu Exerzitien im Trappistenkloster in Spencer. Muß erst morgen dort sein, und auf der Karte habe ich gesehen, daß ich mit nur einem kleinen Umweg bei Ihnen vorbeischauen könnte. Ich würde gerne mit Ihnen über David reden.«
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Ich hab auf der Feuerwache gefragt, wo Sie wohnen.« Er hatte ein nettes Lächeln, das typische Lächeln eines irischen Charmeurs.
»Kommen Sie doch ins Haus!«
Er saß am Küchentisch und sah zu, wie sie den Salat wusch.
»Haben Sie schon gegessen?«
»Nein. Wenn Sie Zeit haben, würde ich Sie gern zum Dinner ausführen.«
»Es gibt nur wenige Restaurants in den Hügeln, und alle sind ziemlich weit weg. Ich wollte mir eben ein einfaches Abendessen machen, Eier und Salat. Darf ich Sie dazu einladen?«
»Das wäre sehr nett.«
Sie zerkleinerte Kopfsalat und Rucola, schnitt eine gekaufte Tomate in Scheiben, toastete tiefgefrorenes Brot, machte Rühreier und stellte alles auf den Tisch. »Warum haben Sie den Priesterstand aufgegeben?«
»Weil ich heiraten wollte«, erwiderte er so unverkrampft, daß sie sofort merkte, er hatte diese Frage schon oft beantwortet. Er senkte den Kopf. »Herr, wir danken dir für deine Gaben.«
»Amen.« Sie fühlte sich unbehaglich und mußte sich beherrschen, um nicht zu schnell zu essen. »Und was tun Sie jetzt?«
»Ich unterrichte am College. An der Loyola University in Chicago.«
»Sie haben ihn getroffen, nicht wahr?«
»Ja.« Er brach ein Stück Toast ab, ließ es in den Salat fallen und schob es mit der Gabel auf dem Teller herum, um das Dressing aufzutunken.
»Vor kurzem?«
»Es ist noch nicht lange her.«
»Er hat sich bei Ihnen gemeldet, nicht? Hat Ihnen gesagt, wo er ist?«
»Ja.«
Sie versuchte, die Tränen der Wut wegzublinzeln, die ihr in die Augen stiegen.
»Es ist kompliziert. Ich
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