Medicus 03 - Die Erben des Medicus
bin sein Freund - vielleicht sein bester Freund -, aber ich bin eben nur Joe, der alte Kumpel. Vor mir konnte er sich in einem... Zustand der Schwäche sehen lassen.
Sie sind ihm auf eine ganz andere Art furchtbar wichtig, bei Ihnen konnte er das nicht riskieren.«
»Er konnte es nicht riskieren, mich wissen zu lassen, daß er noch am Leben ist? All diese Monate? Ich weiß, was Sarah für ihn bedeutet, was ihr Verlust ihm angetan hat. Daß ich auch ein menschliches Wesen bin, hat er nicht berücksichtigt. Von Liebe will ich gar nicht reden.«
Fallon seufzte. »Da ist so viel, das zu verstehen niemand von Ihnen erwarten kann.«
»Aber einen Versuch müßte es wert sein.«
»Es fing alles in Vietnam an. Zwei Pfarrer und ein Rabbi, wie in einem dieser blöden Witze. David und Bernie Towers und ich.
Den ganzen Tag über haben wir drei Seelsorger versucht, den Verstümmelten und Sterbenden in den Lazaretten Trost zuzusprechen. Abends haben wir Briefe an die Familien der Toten geschrieben, und dann sind wir losgezogen und haben sozusagen die Sau rausgelassen: Wir haben Unmengen von Alkohol vernichtet.
Bernie trank genauso viel wie David und ich, aber er war ein ganz besonderer Priester, wie ein Fels, wenn es um seine Berufung ging. Ich hatte bereits damals Schwierigkeiten, mein Keuschheitsgelübde zu halten, und wenn ich Zuspruch und Verständnis brauchte, habe ich mich an den Juden gewandt, nicht an meinen Glaubensgenossen. David und ich sind in Vietnam sehr enge Freunde geworden.«
Erschüttelte den Kopf.
»Im Grunde ist alles sehr merkwürdig. Ich hatte immer das Gefühl, eigentlich hätte es mich treffen müssen und nicht diesen wunderbaren Priester Bernie. Aber ...« Er zuckte die Achseln.
»Die Wege des Herra sind unergründlich. Als wir dann in die Staaten zurückkamen, wußte ich, daß ich mein Priesteramt aufgeben mußte, aber ich schaffte es nicht. Ich wurde ein richtiger Säufer. David hat sich um mich gekümmert, hat mich zu den AA gebracht, mir den Kopf zurechtgesetzt Und als dann seine Frau starb, war ich an der Reihe, ihm zu helfen. Und jetzt bin ich noch einmal an der Reihe. Er ist es wert, glauben Sie mir.
Aber es ist auch nicht einfach mit ihm«, sagte er, und sie murmelte zustimmend.
Als sie anfing, den Tisch abzuräumen, stand er ebenfalls auf und half ihr. Sie setzte Kaffee auf, dann gingen sie ins Wohnzimmer.
»Was unterrichten Sie?«
»Religionsgeschichte.«
»Loyola. Eine katholische Universität«
»Na ja, ich fühle mich immer noch sehr katholisch. Habe alles streng nach Vorschrift gemacht, wie ein alter Soldat. Habe den Papst um die Aufhebung meines priesterlichen Gelübdes gebeten, und die Bitte wurde mir gewährt. Dorothy - inzwischen meine Frau hat das gleiche getan. Sie war eine Nonne.«
»Sie und David?... Sie waren seit der Militärzeit immer in engem Kontakt?«
»Die meiste Zeit. Ja. Wir sind Mitglieder einer kleinen, aber wachsenden Bewegung, die zu einer größeren Gruppe religiös orientierter Pazifisten gehört. Nach Vietnam wußte jeder von uns, daß wir nie wieder einen Krieg haben wollen. Wir fingen an, bestimmte Seminare und Workshops zu besuchen, und da wurde sehr schnell klar, daß es eine ganze Reihe von uns gab, Geistliche und Theologen jeder religiösen Ausrichtung, die alle so ziemlich dasselbe empfanden.« Er hielt inne, denn R.J. war aufgestanden, um den Kaffee zu holen. Als sie ihm seine Tasse gab, trank er einen Schluck, nickte und fuhr fort. »Sehen Sie. Überall auf der ganzen Welt und seit es die Menschheit gibt, haben Leute an die Existenz einer höheren Macht geglaubt und sich verzweifelt danach gesehnt, mit dieser Gottheit in Kontakt zu kommen. Novenen werden abgehalten, Psalmodien gesungen, Kerzen angezündet, es wird gespendet und gestiftet, Gebetsmühlen werden gedreht. Heilige Männer heben die Hände, knien sich hin, werfen sich zu Boden. Sie rufen Allah an, Buddha, Schiwa, Jehova, Jesus und eine Vielzahl von schwachen und mächtigen Heiligen. Wlr haben alle unser eigenes Bild von Gott. Alle glauben wir, daß unser Kandidat der richtige ist und alle anderen Fälschungen. Um es zu beweisen, haben wir jahrhundertelang die Anhänger der falschen Religionen getötet und uns dabei eingeredet, wir tun das heilige Werk des einzigen wahren Gottes. Noch immer töten Katholiken und Protestanten sich gegenseitig, Juden und Moslems, Moslems und Hindus, Sunniten und Schüten. Und so weiter und so fort. Nun gut Nach Vietnam fingen wir an, Seelenverwandte zu
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