Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
schwerer Arbeit zu vertreiben.

Gleichgesinnte
    Die Family Planning Clinic in Springfield war in einem hübschen alten Backsteinhaus an der State Street untergebracht, einem Gebäude, das außen ein wenig verwittert war, aber ansonsten in gutem Zustand. R.J. hatte Barbara Eustis wissen lassen, daß sie, zumindest für den Augenblick, lieber unbegleitet kommen und gehen wolle, denn sie glaube nicht daran, daß eine Eskorte wirklichen Schutz biete. Doch als sie jetzt ihr Auto einen Block entfernt abstellte und zu Fuß zur Klinik ging, zweifelte sie an der Richtigkeit dieser Entscheidung. Ein Dutzend Demonstranten stand mit Schildern vor der Klinik, und kaum hatte R.J. die erste Stufe betreten, begann das Pfeifen und Schreien, und man streckte ihr Schilder vors Gesicht. Eine der Demonstrantinnen hielt ein Schild mit der Aufschrift JESUS WEINTE . Sie war eine Frau, die R.J. auf Mitte Dreißig schätzte, mit langen, honigfarbenen Haaren, einer schmalen, wohlgeformten Nase und kummervollen braunen Augen. Sie schrie nicht und schwenkte auch ihr Schild nicht, sondern stand einfach nur da. Ihr Blick traf sich mit dem R.J.s, die wußte, daß sie dieser Frau noch nie begegnet war, aber irgendwie das Gefühl hatte, daß sie einander kannten. Sie nickte deshalb, und die Frau erwiderte das Nicken. Doch dann hatte sie den Treppenabsatz erreicht und betrat das Gebäude, und der Tumult lag hinter ihr.
    Medizinisch fiel es ihr nicht schwer, sich wieder in die Routine der Ersttrimester-Abtreibungen einzugewöhnen, aber die erhöhte Anspannung wurde nun wieder ein beständiger Teil ihres Lebens.
    Das Grauen packte sie nur jeden Donnerstag, aber terrorisiert wurde sie die ganze Woche über. Sehr schnell wurde ihr Auto identifiziert. Nur zwei Wochen nach ihrem Arbeitsbeginn in der Klinik begannen die Anrufe, und sie kamen regelmäßig - mit Verwünschungen, Beschuldigungen, Drohungen.
    »Mörderin, du wirst sterben. Sterben, sterben, unter Qualen.
    Dein Haus wird brennen, aber du wirst nicht nach Hause kommen und schwelende Ruinen vorfinden, denn du wirst in der Asche sein. Wir kennen dein Haus gut, an der Laurel Hill Road in Woodfield. Deine Apfelbäume müssen geschnitten und bald muß dein Dach ausgebessert werden, aber kümmer dich erst gar nicht darum! Dein Haus wird brennen. Und du wirst darin sein.«
    Sie bemühte sich erst gar nicht um eine Geheimnummer, schließlich mußten die Leute am Ort ihre Ärztin erreichen können.
    Eines Morgens ging sie zum Polizeirevier im Untergeschoß des Rathauses und unterhielt sich mit Mack McCourtney. Der Polizeichef wurde sehr hellhörig, als sie ihm von den Drohungen berichtete.
    »Sie müssen diese Drohungen ernst nehmen«, sagte er. »Sehr ernst. Ich will Ihnen mal was erzählen. Mein Vater war der erste Katholik, der in diese Stadt gezogen ist. Einunddreißig war das.
    Und eines Nachts kam der Ku-Klux-Klan.«
    »Ich habe gedacht, so was gab's nur im Süden.«
    »O nein, o nein ... Eines Nachts sind sie in ihren Yankee-Bettüchern aufgekreuzt und haben auf unserer Weide ein großes Kreuz verbrannt. Die Väter und Onkel von Leuten, die wir beide kennen, Leuten, denen wir täglich begegnen, haben vor dem Haus meines Vaters ein großes Holzkreuz verbrannt, weil er ein Katholik aus Chicopee war, der es wagte, hierherzuziehen. Sie sind eine wunderbare Frau, Doc. Ich weiß das, weil ich Sie in Aktion gesehen und Sie sehr genau beobachtet habe, auch wenn Sie es gar nicht merkten. Ab jetzt werde ich Sie noch genauer beobachten. Sie und Ihr Haus.«
    R.J. hatte drei HIV-positive Patienten: ein Kind, das sich bei einer Bluttransfusion mit dem Virus infiziert hatte, und ein Ehepaar, bei dem der Mann die Frau angesteckt hatte. Eines Morgens kam George Palmers Sohn Harold in Begleitung seines Freundes in die Praxis. Eugene Dewalski las im Wartezimmer in einer Zeitschrift, während R.J. Harold untersuchte, doch dann rief sie auf Bitten ihres Patienten Mr. Dewalski ins Sprechzimmer, und zu dritt diskutierten sie den Befund. Sie war überzeugt, daß das, was sie mit den beiden zu besprechen hatte, keine Überraschung für sie war. Beide wußten seit über drei Jahren, daß Harold Palmer HIV-positiv war. Kurz vor seiner Rückkehr nach Woodfield hatte man bei ihm die ersten Kaposi-Sarkome festgestellt, die den Ausbruch der Krankheit im Vollbild markierten. Während des Gesprächs waren die Männer ruhig dagesessen und hatten auf ihre Fragen mit trockenen, ausdruckslosen Stimmen geantwortet. Nach der Besprechung

Weitere Kostenlose Bücher