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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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blaß, sah sie aber aus hellwachen Augen an.
    »Ja. Warum denn?«
    »Irgendwas ist los«, sagte R.J.
    Susan Dolby musterte sie. »Was soll das heißen?«
    »Ich glaube, er bekommt einen Herzinfarkt.«
    »Robert«, sagte Susan ganz ruhig, »hast du Schmerzen in der Brust? Atembeschwerden?«
    »Nein.«
    »Du scheinst auch nicht zu schwitzen. Hast du Muskelschmerzen?«
    »Nein.«
    »Also hört mal! Ist das vielleicht ein spezieller Witz in eurer Familie?«
    R.J. spürte ein Sinken, ein Fallen des inneren Barometers. »Wo ist das nächste Krankenhaus?«
    Ihr Vater sah sie interessiert an. »Ich glaube, wir sollten besser auf R.J. hören, Susan«, sagte er.
    Susan war verwirrt, doch dann nickte sie. »Das Cedars Medical Center ist nur ein paar Minuten entfernt. Das Restaurant hat einen Rollstuhl. Die Notaufnahme können wir von meinem Autotelefon aus anrufen. Es geht schneller, wenn wir ihn selbst hinbringen, anstatt auf den Krankenwagen zu warten.«
    Als sie in die Zufahrt zum Krankenhaus einbogen, begann Robert J. Cole unter den ersten Schmerzen zu stöhnen. Schwestern und Ärzte warteten bereits mit einer Trage und Sauerstoff vor der Tür. Sie injizierten ihm Streptokinase , schoben ihn in ein Untersuchungszimmer, rollten ein fahrbares EKG-Gerät herbei.
    R.J. stand daneben. Sie hörte sehr aufmerksam zu, beobachtete jeden Handgriff, aber diese Leute waren gut, und es war das beste, sie in Ruhe zu lassen, damit sie ihre Arbeit tun konnten. Susan Dolby war an der Seite ihres Freundes und hielt ihm die Hand. R.J. war nur eine Zuschauerin.
    Es war spät am Abend. R.J.s Vater lag wohlversorgt und an piepsende Kontrollgeräte angeschlossen unter einem Sauerstoffzelt auf der Intensivstation. Die Krankenhauscafeteria war bereits geschlossen, R.J. und Susan gingen deshalb in ein kleines Restaurant in der Nähe und aßen schwarze Bohnensuppe und kubanisches Brot.
    Dann kehrten sie ins Krankenhaus zurück und saßen alleine in einem kleinen Wartezimmer.
    »Ich glaube, es geht ihm recht gut«, sagte Susan. »Er hat die Antikoagulation sehr frühzeitig bekommen, eins Komma fünf Millionen Einheiten Streptokinase , Aspirin , fünftausend Einheiten Heparin . Wir hatten großes Glück.«
    »Gott sei Dank!«
    »Aber - woher haben Sie es gewußt?«
    So knapp und sachlich wie möglich erklärte R.J. es ihr.
    Susan Dolby schüttelte den Kopf. »Normalerweise würde ich sagen, das ist alles Einbildung, ein Märchen. Aber ich habe es miterlebt.«
    »Mein Vater nennt es die Gabe... Es gab Zeiten, da habe ich sie als Belastung betrachtet. Aber ich lerne, mit ihr zu leben, sie nutzbringend anzuwenden. Heute abend bin ich sehr dankbar, daß ich sie habe«, sagte R.J. und zögerte dann kurz. »Ich rede über die Gabe nicht mit anderen Ärzten, wie Sie vielleicht verstehen können. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn auch Sie nicht...«
    »Nein. Wer würde mir denn glauben? Aber warum haben Sie mir die Wahrheit erzählt? Waren Sie denn nicht in Versuchung, eine Ausrede zu erfinden?«
    R.J. beugte sich zu ihr und küßte sie auf die gebräunte Wange.
    »Ich habe gewußt, daß es in der Familie bleibt«
    Ihr Vater hatte Schmerzen, und da sublinguales Nitroglycerin nicht viel half, gaben die Ärzte ihm Morphium. Er schlief daraufhin viel. Nach dem zweiten Tag konnte R.J. bereits für ein oder zwei Stunden am Stück das Krankenhaus verlassen. Sie benutzte sein Auto. Susan mußte sich um ihre Patienten kümmern, aber sie zeigte ihr die besten Strände, und R.J. schwamm im Meer. Sie cremte sich mit Sonnenschutzmitteln ein, wie es sich für eine gute Ärztin gehörte, aber es war einfach ein tolles Gefühl, wieder einmal zu spüren, wie das Salz auf der Haut trocknete. Ein paar Minuten lang lag sie mit einem orangefarbenen Schein über den geschlossenen Augen auf dem Rücken und dachte mit kummervollem Bedauern an David. Sie betete für ihren Vater und dann für Greg Hinton, wie sie es versprochen hatte.
    An diesem Abend bat sie um ein Gespräch mit dem Kardiologen ihres Vaters, Dr. Sumner Kellicker, und sie war froh, daß Susan ebenfalls teilnehmen wollte. Kellicker war ein rotgesichtiger, hektischer Mann, der sündteure Anzüge trug und offensichtlich nicht gerade erbaut war über einen Patienten, der eine ganze Ärztefamilie hinter sich hatte.
    »Ich mache mir Sorgen wegen des Morphiums, Dr. Kellicker.«
    »Waram denn das, Dr. Cole?«
    »Es hat vagotone Wirkung. Es kann doch zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz und zu einem schwerwiegenden

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