Medicus 03 - Die Erben des Medicus
Blutdruckabfall führen, oder?«
»Nun ja, das kann passieren. Aber alles, was wir tun, birgt ein Risiko in sich, hat eine Kehrseite sozusagen. Das wissen Sie doch auch.«
»Wie wär's, wenn Sie ihm Beta-Blocker anstelle von Morphium geben?«
»Beta-Blocker wirken nicht immer. Und dann hätte er wieder Schmerzen.«
»Aber einen Versuch wäre es doch wert, nicht?«
Dr. Kellicker warf Susan Dolby einen Blick zu und suchte offensichlich Unterstützung. »Ich bin derselben Meinung«, sagte Susan.
»Wenn Sie beide das wollen, dann habe ich keine Einwände«, sagte Dr. Kellicker verstimmt. Er nickte und entfernte sich.
Susan ging zu R.J. Sie sah ihr in die Augen und schloß sie in die Arme. So standen sie da, und R.J. erwiderte die Urnarmung.
Sie erledigte verschiedene Anrufe. »Gleich an Ihrem ersten Tag in Florida hatte er den Anfall?« fragte Gerome. »Das ist ja genau der richtige Auftakt für einen Urlaub!« Er habe alles im Griff, versicherte er ihr. Die Leute würden sie vermissen und ließen sie grüßen. David erwähnte er nicht.
Toby war furchtbar besorgt, zunächst um R.J.s Vater, aber auch um R.J. Auf die Frage nach ihrem Befinden erwiderte Toby trübselig, sie habe Rückenschmerzen und fühle sich, als wäre sie schon ihr ganzes Leben lang schwanger.
Gwen ließ sich den Fall in allen Einzelheiten beschreiben und meinte, es sei vernünftig gewesen, Beta-Blocker als Ersatz für das Morphium zu verlangen.
R.J. behielt recht. Die Beta-Blocker linderten den Schmerz, und nach zwei Tagen durfte Robert Jameson Cole zweimal täglich für eine halbe Stunde das Bett verlassen und in einem Sessel Platz nehmen. Wie so viele Ärzte war er ein schrecklicher Patient. Er stellte unzählige Fragen nach seinem Zustand und verlangte die Ergebnisse seiner Angiographie sowie einen vollständigen Bericht von Kellicker.
Seine Stimmung war wilden Schwankungen unterworfen, von absoluter Euphorie bis zu tiefster Depression und umgekehrt »Ich möchte, daß du Rob J.s Skalpell mitnimmst, wenn du abreist«, sagte er in einem depressiven Augenblick zu seiner Tochter.
»Warum?«
Er zuckte die Achseln. »Eines Tages wird es sowieso dir gehören. Warum sollst du es nicht gleich bekommen?«
Sie sah ihm fest in die Augen. »Weil es noch viele Jahre deines sein wird«, sagte sie, und damit war das Thema für sie abgeschlossen.
Er machte gute Fortschritte. Am dritten Tag konnte er schon für kurze Zeitspannen neben dem Bett stehen, und am Tag darauf versuchte er erste Schritte auf dem Gang. R.J. wußte, daß die ersten sechs Tage nach einem Infarkt die kritischsten waren, und als eine Woche ohne Komplikationen vergangen war, atmete sie auf.
An ihrem achten Tag in Miami traf sie sich morgens mit Susan in einem Hotel zum Frühstück. Sie saßen auf der Strandterrasse, und R.J. atmete tief die weiche Seeluft ein. »Daran könnte ich mich gewöhnen.«
»Wirklich, R.J.? Gefällt es Ihnen in Florida?«
R.J.s Bemerkung war eigentlich nur ein Witz gewesen, eine Anspielung auf den ihr ungewohnten Luxus. »Florida ist recht hübsch - aber eigentlich mag ich diese Hitze nicht.«
»Man gewöhnt sich daran, allerdings lieben wir Floridianer auch unsere Klimaanlagen. R.J., ich habe vor, im nächsten Jahr in Pension zu gehen. Meine Praxis ist gut eingeführt, und sie wirft ein recht solides Einkommen ab. Ich frage mich, ob Sie Interesse hätten, sie zu übernehmen?«
Oh!
»Ich fühle mich sehr geschmeichelt, Susan. Vielen Dank! Aber ich habe inzwischen in Woodfield Wurzeln geschlagen. Es bedeutet mir sehr viel, dort zu praktizieren.«
»Sind Sie sicher, daß Sie es sich nicht wenigstens überlegen wollen? Ich könnte Ihnen viele gute Argumente nennen. Ich könnte Sie ein Jahr lang einarbeiten ...«
R.J. lächelte und schüttelte den Kopf.
Nur kurz huschte ein betrübter Schatten über Susans Gesicht, dann erwiderte sie das Lächeln. »Ihr Vater ist für mich sehr wichtig geworden. Und Sie habe ich vom ersten Augenblick an gemocht. Sie sind intelligent und fürsorglich und offensichtlich eine sehr gute Ärztin - die Art von Ärztin, die ich bewundere und die meine Patienten verdient hätten. Also habe ich mir gedacht, das wäre doch der perfekte Weg, jeden zufriedenzustellen: meine Patienten, Sie, Robert... und mich selbst. Alle zusammen.
Ich habe keine Familie. Sie werden einem Menschen verzeihen, der es eigentlich besser wissen sollte, doch ich habe mir die Illusion gestattet, daß wir eine Familie werden könnten. Aber ich hätte
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