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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Sicherheit schon vor Jahrzehnten vergraben.
    In der Erde über den Knochen fand man eine kleine Tontafel. Als man sie abwusch, kamen einige rostfarbene, schon sehr verblaßte Buchstaben zum Vorschein. Was jedoch ursprünglich auf dieser Tafel gestanden hatte, war nicht mehr zu rekonstruieren. Die meisten Buchstaben waren verschwunden, nur einige wenige waren lesbar: ah und od , dann u und schließlich ot . Trotz gründlichen Siebens konnten nicht alle Knochen des kleinen Skeletts gefunden werden, doch hatte der Leichenbeschauer genug davon, um angeben zu können, daß es sich um einen fast, jedoch nicht voll ausgereiften Fötus gehandelt hatte, dessen Geschlecht freilich nicht feststand. Der Pathologe nahm die Knochen an sich. Als R.J. ihn bat, das Täfelchen behalten zu dürfen, zuckte er nur die Achseln und gab es ihr. Seitdem lag es im Wohnzimmerschrank hinter Glas.
    Die Massachusetts Turnpike ist fast auf ihrer gesamten Länge ziemlich eintönig. Erst als R.J. die Turnpike in der Nähe von Springfield verlassen hatte und auf der Route 91 Richtung Norden fuhr, sah sie die ersten flachen, verwitterten Hügel, und ihre Stimmung hellte sich auf: Ich werde meine Augen zu den Bergen erheben, denn von dort kommt mir Hilfe. Eine halbe Stunde später war sie mitten in den Hügeln, fuhr kurvige Straßen entlang, die sich durch die Landschaft schlängelten, vorbei an Farmen und Wäldern, bis sie schließlich auf die Laurel Hill Road einbog und die lange, gewundene Einfahrt zum hölzernen Farmhaus entlangzockelte, das sich fahlbutterfarben am Rand der Wiese an den Waldsaum drückte.
    Seit dem letzten Herbst hatten sie und Tom das Landhaus nicht mehr benutzt. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr abgestandene, leicht bittere Luft entgegen. Auf einem Fensterbrett im Wohnzimmer lagen Kotbröckchen, wie Mäusefäkalien, nur etwas größer, und in einem schnellen Wiederaufblitzen der schlechten Laune, die sie seit Tagen plagte, sagte sie sich, daß sie eine Ratte im Haus haben mußte. Aber in einem Winkel in der Küche fand sie dann die vertrockneten Überreste einer Fledermaus. So machte sie sich zuerst daran, mit Schaufel und Besen Kot und Fledermaus zu entsorgen. Sie schaltete den Kühlschrank ein, öffnete die Küchenfenster, um frische Luft hereinzulassen, und trug ihre Vorräte, zwei Kartons mit Lebensmitteln und eine Kühlbox mit verderblicher Ware, ins Haus. Hungrig, aber ohne großen Kochehrgeiz machte sie sich ein Abendessen aus einer harten und geschmacklosen Supermarkttomate, einem Kaiserbrötchen, zwei Tassen Tee und einer Tüte Schokoladenplätzchen.
    Als sie die Brösel vom Tisch wischte, fiel ihr mit Bestürzung ein, daß sie Elizabeth ganz vergessen hatte. Sie ging nach draußen, holte den Karton mit der Asche aus dem Auto und stellte ihn auf den Kaminsims. Sie würde einen schönen Platz suchen und die Asche dort begraben, wie es Elizabeth' Wunsch gewesen war. Es zog sie noch einmal nach draußen, und sie machte einige Schritte in den Wald, aber der war dunkel und sehr verwildert. Erforschen ließ er sich nur, wenn man über umgestürzte Bäume kletterte oder unter ihnen durchkroch, um sich einen Weg durch Gestrüpp und Unterholz zu bahnen. Weil sie dazu im Augenblick wenig Lust hatte, machte sie ziemlich schnell kehrt und spazierte die Einfahrt hinunter zur Laurel Hill Road. Diese war ein grob geteerter Schotterweg, knapp drei Meilen lang, der sich über mehrere Hügelkuppen hinzog. R.J. genoß den Spaziergang. Nach eineinviertel Meilen näherte sie sich dem kleinen, weißen Farmhaus und der riesigen, roten Scheune von Hank und Freda Krantz, dem Farmerehepaar, von dem Tom und sie das Haus gekauft hatten. Kurz vor der Tür kehrte sie jedoch wieder um, denn im Augenblick wollte sie keine Fragen nach Tom beantworten und das Ende ihrer Ehe rechtfertigen müssen.
    Die Sonne war untergegangen, als sie ihr Haus wieder erreichte, und die Luft wurde schneidend kalt. Sie schloß alle Fenster bis auf eins. Im Schuppen war trockenes Holz, und sie zündete im Kamin ein kleines Feuer an, das die Kälte vertrieb. Als die Nacht hereinbrach, drang durch das offene Fenster das schrille Quaken der Frösche im Abflußgraben des Teichs, und sie saß auf der Couch, trank heißen schwarzen Kaffee mit so viel Zucker, daß sie bestimmt wieder zunehmen würde, und starrte ins Feuer.
    Am nächsten Morgen schlief sie lang, aß Eier zum Frühstück und stürzte sich dann mit Begeisterung auf den Hausputz. Da sie nur sehr selten häusliche

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