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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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war es wie in einer anderen Welt, kühler, dunkel und still bis auf den Wind in unzähligen Blättern, ein sanftes, vielstimmiges Rascheln, das manchmal so laut wurde wie Brandung und ihr irgendwie heilig vorkam, sie aber auch ein wenig ängstigte. Sie vertraute darauf, daß große Tiere und Ungeheuer durch den Lärm verschreckt wurden, den sie machte, wenn sie auf Zweige trat, die unter ihrem Fuß zerbrachen, und sich ganz allgemein etwas unbeholfen durch den dicht wuchernden Wald bewegte. Hin und wieder kam sie an eine kleine Lichtung, wo sie eine kurze Atempause einlegen konnte, aber einen Platz, der zum Verweilen und Ausruhen einlud, fand sie nirgends. Sie folgte einem Bachlauf zum Catamount. Sie schätzte, daß sie sich etwa in der Mitte ihres Grundbesitzes befand, und wanderte flußabwärts am Catamount entlang. Das Ufer war so zugewuchert wie der Wald, und sie kam nur schwer vorwärts; sie merkte, daß sie trotz der Frühlingskühle verschwitzt und müde war, und als sie einen großen Granitfelsen erreichte, der vom Ufer in den Fluß vorsprang, setzte sie sich auf ihn. Sie betrachtete die Gumpe, die sich im Schutz des Felsens gebildet hatte, und sah einen Schwarm kleiner Forellen, die in halber Höhe im Wasser dahinzogen und sich im Einklang miteinander bewegten wie ein Geschwader von Kampfflugzeugen. Die Strömung rauschte schnell und angeschwollen vom Schmelzwasser am Rand der Gumpe vorbei, und R.J. legte sich bäuchlings auf den warmen Stein, ließ sich die Sonne auf den Rücken brennen und beobachtete die Fische. Ab und zu spürte sie einen Spritzer wie eisiges Geflüster auf ihrer Wange.
    Sie blieb im Freien, bis sie erschöpft war, kämpfte sich dann durch den Wald zurück, ließ sich auf die Couch fallen und schlief zwei Stunden. Anschließend briet sie Kartoffeln, Zwiebeln und Paprikaschoten, in einer zweiten Pfanne das Steak medium, und dann verschlang sie die ganze Riesenportion, mit honiggesüßtem Tee als Abschluß. Als draußen das letzte Tageslicht verlöschte und sie sich mit einer Tasse Kaffee vor den Kamin setzte, um wieder dem Froschkonzert zu lauschen, klingelte das Telefon.
    »Dr. Cole, o Gott, Hank hier. Freda ist angeschossen, mein Gewehr ist losgegangen ...«
    »Wo wurde sie getroffen?«
    »Am Oberschenkel, unter der Hüfte. Sie blutet ziemlich heftig, es spritzt nur so aus ihr heraus.«
    »Suchen Sie sich ein sauberes Handtuch, und drücken Sie es auf die Wunde, ganz fest! Ich komme.«

Nachbarn
    R.J. war auf Urlaub hier, sie hatte ihre Arzttasche nicht dabei. Die Räder des BMW verspritzten Kies, die Fernlichtkegel kämpften mit verrückten Schatten, als sie die Straße entlangraste und in die Zufahrt einbog. Die linken Reifen zerwühlten den Rasen, den Hank Krantz so penibel pflegte. Sie fuhr bis zur Vordertür und ging, ohne zu klopfen, ins Haus. Das besagte Gewehr sah sie auf dem mit Zeitungen bedeckten Tisch, zusammen mit einigen Lumpen, einem Putzstock und einer kleinen Dose Waffenöl.
    Freda lag leichenblaß auf ihrer linken Seite im Blut Sie hatte die Augen geschlossen, öffnete sie aber jetzt und sah R.J. an. Hank hatte ihr die Jeans halb heruntergezogen. Er kniete neben ihr und drückte ihr ein blutgetränktes Handtuch auf den Schenkel. Seine Hände und Ärmel waren verschmiert. »O Gott! Gott im Himmel, schauen Sie nur, was ich ihr angetan habe!« Er litt sehr, hatte sich aber fest unter Kontrolle. »Ich habe den Krankenwagen gerufen, damit sie sie nach Greenfield bringen«, sagte er.
    »Gut. Nehmen Sie ein frisches Handtuch! Legen Sie es auf das durchtränkte, und drücken Sie wieder fest drauf.« Sie kniete sich neben ihn und tastete direkt neben den schwarzen Schamhaaren, die sich durch Fredas Baumwollunterhose abzeichneten, die Leiste ab. Als sie den Puls der Femoralarterie spürte, legte sie den Handballen auf die Stelle und drückte darauf. Freda war eine große, kräftige Frau, und die jahrelange Farmarbeit hatte sie muskulös gemacht. R.J. mußte sich fest dagegenstemmen, um die Arterie abzudrücken, und Freda öffnete den Mund, um zu schreien, aber es kam nur ein leises Stöhnen heraus. »Tut mir leid...« Die linke Hand auf die Arterie gepreßt, tastete R.J. mit der rechten vorsichtig die Unterseite von Fredas Schenkel ab. Als sie die Austrittswunde berührte, verkrampfte sich Freda. R.J. fühlte eben den Puls an Fredas Halsschlagader, als sie das erste animalische Heulen der Sirene hörte. Kurz darauf hielten zwei Fahrzeuge vor dem Haus, Türen wurden

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