Medicus 03 - Die Erben des Medicus
Oberschenkelknochen mit einem Metallstift stabilisiert. »Sie wird wieder ganz in Ordnung. Ungefähr fünf Tage muß sie noch hierbleiben. Fünf Tage bis eine Woche.«
»Kann ich sie sehen?«
»Sie liegt jetzt im Aufwachzimmer. Die Wirkung der Beruhigungsmittel wird die ganze Nacht anhalten. Es ist am besten, Sie fahren nach Hause und schlafen ein wenig. Morgen früh können Sie sie sehen. Wollen Sie, daß ich den Krankenbericht an ihren Hausarzt schicke?«
Hank verzog das Gesicht. »Also, im Augenblick haben wir keinen. Unser Hausarzt ist vor kurzem in Pension gegangen.«
»Wer war das? Hugh Marchant, drüben an der High Street?«
»Ja. Dr. Marchant.«
»Na, wenn Sie einen neuen Arzt haben, sagen Sie mir Bescheid, und ich schicke ihm die Unterlagen.«
»Warum fahren Sie eigentlich bis nach Greenfield, wenn Sie einen Arzt brauchen?«
»Ganz einfach, es gibt keinen näheren. Wir haben in Woodfield seit zwanzig Jahren keinen Arzt mehr, seit der alte gestorben ist.«
»Wie hieß der?«
»Thorndike.«
»Ja. Von dem haben mir schon einige Leute erzählt.«
»Craig Thorndike. Die Leute haben diesen Mann geliebt. Aber nach seinem Tod kam kein anderer Arzt mehr nach Woodfield.«
Es war kurz nach Mitternacht, als der Krankenwagen Hank und R.J. vor dem Haus der Krantz absetzte.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte sie Hank.
»Ja. Schlafen werd ich allerdings nicht können, das weiß ich. Dann mach ich eben die Küche sauber.«
»Lassen Sie mich Ihnen helfen!«
»Nein, das kommt gar nicht in Frage«, sagte er bestimmt, und plötzlich war sie froh darüber, denn sie war sehr müde.
Er zögerte. »Vielen Dank! Nur Gott weiß, was passiert wäre, wenn Sie nicht hiergewesen wären.«
»Ich bin froh, daß ich hier war. Und Sie sehen zu, daß Sie jetzt zur Ruhe kommen!«
Die Sterne leuchteten groß und weiß. In der Nachtluft hing noch ein Nachklang von Frost, eine Frühlingskühle, aber R.J. war warm, als sie die Straße entlangfuhr.
Die Berufung
Am nächsten Morgen wachte sie früh auf, blieb aber im Bett liegen und ging in Gedanken noch einmal die Ereignisse der vergangenen Nacht durch. Sie vermutete, daß die Kojoten, die Hank hatte vertreiben wollen, ohnedies weitergezogen waren, denn durch das Schlafzimmerfenster sah sie drei Weißwedelhirsche, die mit wackelnden Schwänzen im Klee ästen. Als auf der Straße ein Auto vorbeifuhr, stellten sie die Schwänze auf und zeigten ihr Gefahrensignal, die weiße Unterseite. Kaum war das Auto verschwunden, senkten sie die Schwänze wieder und ästen friedlich weiter.
Zehn Minuten später raste ein Junge auf einem Motorrad vorbei, und die Hirsche flüchteten mit langen, verängstigten Sprüngen, die kraftvoll und zart zugleich aussahen, auf den Wald zu.
Nach dem Aufstehen rief R.J. im Krankenhaus an und erfuhr, daß Fredas Zustand stabil war.
Es war Sonntag. Nach dem Frühstück fuhr sie gemächlich zu Sotheby's , wo sie sich die New York-Times und den Boston Globe kaufte. Beim Verlassen des Ladens traf sie Toby Smith, und die beiden begrüßten sich.
»Sie sehen aber nach dem gestrigen Nachteinsatz ziemlich ausgeruht aus«, sagte Toby.
»Ich fürchte, ich bin Nachtarbeit gewöhnt. Haben Sie ein paar Minuten Zeit, Toby, damit wir uns unterhalten können?«
»Natürlich.«
Sie ging voraus zur Bank auf der Veranda des Ladens, und die beiden setzten sich. »Erzählen Sie mir von dem Rettungsdienst!«
»Na ja ... das ist schon richtig Geschichte. Angefangen hat es gleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Einige Leute, die in der Armee als Sanitäter gedient hatten, brachten bei ihrer Heimkehr einen Krankenwagen aus Armeebeständen mit und gründeten damit einen Gemeinderettungsdienst. Nach einer Weile begann der Staat, Rettungssanitäter zu prüfen und anzuerkennen, und daraus entwickelte sich ein ganzes System der Weiterbildung. Rettungssanitäter müssen sich über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Notfallmedizin auf dem laufenden halten und sich jedes Jahr neu prüfen lassen. Hier am Ort haben wir vierzehn eingetragene Rettungssanitäter, nur Freiwillige. Für alle, die in Woodfield leben, ist der Service kostenlos. Wir haben Piepser bei uns und sind bei Notfällen rund um die Uhr einsatzbereit. Im Idealfall haben wir bei jedem Einsatz drei Leute pro Wagen: einen am Steuer, zwei hinten bei der Patientenbetreuung. Aber meistens sind wir nur zu zweit, so wie gestern Nacht«
»Warum ist der Service kostenlos?« fragte R.J. »Warum rechnen Sie den
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