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Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Titel: Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ott
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resultiert in einer ähnlichen Liste von Merkmalen. Wiederum steht das Erleben von Einheit an erster Stelle.
    In der empirischen Forschung mit Fragebögen zeigte sich ebenfalls wiederholt ein Faktor zu mystischen Erlebensweisen. So etwa in der internationalen Studie zu veränderten Bewusstseinszuständen von Dittrich et al. (1985). Der entsprechende Faktor wurde hier »Ozeanische Selbstentgrenzung« benannt, in Anlehnung an den Begriff des ozeanischen Gefühls von Sigmund Freud. In den entsprechenden Aussagen der Fragebogenskala werden vor allem die Erfahrung von Einheit, Paradoxie und tiefen positiven Gefühlen ausgedrückt. Als repräsentative Beispiele seien genannt:

     
Alle Dinge schienen sich zu einem einzigen Ganzen zu vereinen.
Ich fühlte mich eins mit meiner Umgebung.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlebte ich als eine Einheit.
Ich verspürte einen Hauch von Ewigkeit.
Gegensätze und Widersprüche schienen sich aufzulösen.
Ich empfand tiefen Frieden in mir.
Ich empfand grenzenlose Freude.
Ich empfand eine allumfassende Liebe.

    In dieser internationalen Studie waren die Auslöser der veränderten Bewusstseinszustände sowohl Meditation als auch die Einnahme psychoaktiver Substanzen. In einer eigenen Studie mit erfahrenen Meditierenden verschiedener Richtungen ergab sich ebenfalls ein Hauptfaktor »Mystisches Erleben« (Ott, 2000), was unterstreicht, dass zeitgenössische Meditierende ähnliche Erfahrungen machen, wie sie in den Überlieferungen der meditativen Traditionen beschrieben werden.
    Im letzten Tiefenbereich der Meditation nach Piron (2003) ist die Erfahrung von Einheit bereits in der Bezeichnung Non-Dualität angesprochen. Die Aufspaltung in ein Subjekt und davon getrennte Objekte der Außenwelt, die das normale Alltagsbewusstsein kennzeichnet, wird aufgehoben. Die Erfahrung, dass alles eins ist, hat dabei die Qualität einer Wahrnehmung. Die Betroffenen haben den Eindruck, mit einer objektiven Realität in Berührung gekommen zu sein, die wirklicher ist als die Realität, die sie im normalen Wachzustand erleben (Marshall, 2005).
    Erklärungsansätze
    Wie lassen sich derartige Bewusstseinsveränderungen erklären? Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen subjektivem Erleben und Vorgängen im Gehirn ist davon auszugehen, dass solche drastischen Änderungen in der Selbst- und Weltwahrnehmung eine Entsprechung auf neurophysiologischer Ebene haben, ein sogenanntes neuronales Korrelat .
    Von Neuropsychologen und Medizinern wurden bereits einige Hypothesen dazu formuliert, wie durch die Konzentration auf ein Meditationsobjekt mystische Erfahrungen hervorgerufen werden könnten. So mutmaßte Persinger (1983), dass die Wiederholung von Mantras zu einer starken Anregung des Temporallappens führe, der aufgrund seiner neuronalen Architektur besonders leicht in epileptische Erregungsmuster überführt werden könne. Dieser Vorgang einer selbstinduzierten epileptischen Erregung wird als kindling bezeichnet. Zur Unterstützung seiner Annahmen präsentierte Persinger die Fallstudie eines Meditierenden (1984) und verwies auf religiöse Erfahrungen bei Patienten mit Temporallappenepilepsie.
    Ein ausgefeiltes Modell neurophysiologischer und neurochemischer Veränderungen bei Meditierenden, das auch zahlreiche Befunde anderer Forschungsgruppen zu integrieren versucht, legten Newberg und Iversen (2003) vor. Ihre zentrale These hinsichtlich mystischer Erfahrungen besagt, dass durch eine intensive Fokussierung auf Meditationsobjekte oder Gebetsinhalte der sensorische Zustrom in den parietalen Cortex blockiert würde, der uns über unsere Position im dreidimensionalen Raum informiert. Dieser Effekt sei sowohl bei tibetischen Mönchen (Newberg et al., 2001) als auch bei Franziskaner-Nonnen (Newberg et al., 2003) aufgetreten und für die Auflösung des Ich-Gefühls während tiefer Meditations- bzw. Gebetserfahrungen verantwortlich.
    Der Verlust der gewohnten räumlichen Orientierung ist jedoch nur ein Aspekt der mystischen Erfahrung neben anderen (siehe obige Liste von Merkmalen nach Stace). So belegten Beauregard und Paquette (2006) in einer Studie mit Karmeliter-Nonnen, die sich lebhaft an mystische Erfahrungen erinnern sollten, während sie im Magnetresonanztomographen lagen, eine verstärkte Aktivierung in mehreren Hirnregionen, denen jeweils spezifische Erlebenskorrelate zugewiesen wurden:

     
rechter, mittlerer Temporalcortex: Eindruck, mit einer spirituellen Realität in Berührung gekommen zu sein (in

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