Meditation
lassen die Leute das geschehen? Solange man auf Distanz bleibt und sich vor Augen hält, dass alles nur aus Ursachen und Wirkungen besteht, die sich da abspielen, muss man sich auch nicht verwickeln lassen – es ist nicht meins, es gehört nicht zu mir, da ist kein Ich, es hat nichts mit mir zu tun. Unruhe, Langeweile und alles andere lässt sich distanziert betrachten. Ihr nehmt es einfach wahr, und damit rückt »der Erkennende« in den Blickpunkt.
Der Erkennende ist wie ein Zuschauer, dem immer gegenwärtig ist, dass der Erkennende nichts mit dem Geschehen auf der Leinwand zu tun hat. Der Erkennende – der allerdings nicht für ein dauerhaftes Ich gehalten werden darf – kann euer Zugang zum Frieden sein. Stellt euch vor, ihr sitzt in euch selbst. Wenn das gelingt, bekommt ihr ein Gefühl der Distanz von allem Geschehen, und in diesem Gefühl könnt ihr sanft von den Dingen lassen. Wenn ihr euch also in etwas verhaspelt und die Meditation nicht so läuft oder ihr das Meditieren überhaupt satt habt – kurz, immer wenn dieses Gefühl kommt, dass ich etwas tue –, dann denkt an die distanzierte Haltung im Kino. Man braucht sich nicht aufzuregen, es gibt keinen Anlass, enttäuscht zu sein, man muss nicht weinen oder sich ängstigen – es ist nur ein Film.
Dazu fällt mir gleich wieder die Geschichte von diesem Autokino in Jamaika ein, das eine »Leinwand« aus Beton hatte. Die Leute, die dieses Kino besuchten, standen ganz besonders auf Wildwestfilme und da vor allem auf die Schießereien. Das riss sie derart mit, dass sie dann ihre eigenen Schießeisen zogen, um mitzumischen. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich muss jetzt noch lachen, wenn ich mir diese Kerle vorstelle, die da aus den Fenstern oder von ihren Cabriolets aus auf die Leinwand schossen. Der Inhaber des Kinos konnte sich jedenfalls irgendwann das ständige Auswechseln der Leinwand nicht mehr leisten und ließ die Betonwand gießen.
Ihr wisst, was ich damit illustriere. Die Leute identifizieren sich, und dann wollen sie den Indianer, den Cowboy oder den Sheriff umlegen. Am liebsten würdest du den ruhelosen Geist erschießen oder die Langeweile abmurksen, jedenfalls lässt du dich auf diese oder jene Weise in das Geschehen verwickeln. Auf diese Art vergrößern wir aber unsere Probleme nur. Wenn wir Geduld üben, unterbrechen wir das und sagen uns: »Das kommt schon von selbst in Ordnung. Der Wasserbüffel läuft jetzt eben weg, aber er wird auch irgendwann wieder anhalten.«
Denkt immer daran, dass es nur Kino ist, einfach das, was herauskommt, wenn die fünf Khandhas und die sechs Sinnesbereiche nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung tun, was sie eben tun. Da steckt nichts Reales dahinter, worüber ihr euch Sorgen machen müsstet. Deshalb könnt ihr euch davon lösen. Es gibt meines Wissens kaum ein besseres Mittel gegen Unruhe. Wenn ich mich löse und nur noch zusehe, wie alles kommt und geht, schneide ich es von seiner »Versorgungsgrundlage« ab. Dann weiß ich, dass es eine Ursache für Unruhe gibt, und die besteht darin, dass ich mich zu sehr mit dem ganzen Ablauf identifiziere. Sobald ich dem Prozess keine Nahrung mehr gebe und mich heraushalte – einfach jemand im Kino, der unbeteiligt zuschaut –, beruhigt sich der Geist und wird still. Die Rastlosigkeit verfliegt, Langeweile legt sich, und dann setzen sich die friedliche Ruhe und Stille der Meditation durch.
Müdigkeit und Energie
Dumpfe Schläfrigkeit gehört ebenfalls zu den verbreiteten Schwierigkeiten bei der Meditation. Hütet euch, gegen diese Müdigkeit anzukämpfen. Ich sage das, weil ich selbst sehr unangenehme Erfahrungen damit gemacht habe. Mir wurde nämlich gesagt, ich müsse die Müdigkeit niederringen, und das war, wie sich zeigte, alles andere als förderlich. Wenn ihr gegen die Müdigkeit ankämpft, verkrampft ihr euch, denn Kämpfen ist natürlich das Gegenteil von Sanftheit, Güte und Loslassen. Es ist eine Form des Übelwollens.
Manchen ist es peinlich, wenn sie beim Meditieren müde werden, oder sie bekommen ein schlechtes Gewissen. Irgendwie erscheint es uns demütigend, wenn wir schon so viele Jahre meditiert haben und am Morgen trotzdem den Rücken nicht gerade halten können. Aber Schuldgefühle bauen natürlich nur das Ichgefühl weiter auf, das Ego, und dann fangen wir an, uns als Inhaber dieser Zustände zu fühlen. Seid nicht Besitzer eurer Schläfrigkeit, sie hat nichts mit euch zu tun. Sie ist einfach eine Wirkung aufgrund irgendeiner Ursache,
Weitere Kostenlose Bücher