Meditation
weiter nichts. Wenn ihr schläfrig werdet, dann bleibt einfach dabei, betrachtet die Schläfrigkeit, seid freundlich zu ihr, erkundet sie. Wie fühlt sie sich an? Wie lange hält sie an? Vor allem, wodurch vergeht sie? Und wenn sie weg ist, was bleibt? Es geht nicht darum, die Müdigkeit um jeden Preis abzuschütteln. Ihr müsst sie klug überwinden, nur dann kommt eure Meditation in Fahrt.
Sicher, man kann den Geist unter Druck setzen und so die Müdigkeit ausschalten. Man kann am Rand eines Abgrunds meditieren, wie wir es damals in Thailand gemacht haben, oder sich eine Streichholzschachtel auf den Kopf legen oder unter den Händen Nadeln aufstellen. Ihr könnt jemanden bitten, sich mit einem Stock hinter euch zu postieren, mit dem er sofort zuschlägt, wenn der Kopf auch nur leicht nach vorn sinkt. Dann döst ihr ganz bestimmt nicht weg, handelt euch aber Angst und Verspannung ein. Ihr ersetzt nur ein Hindernis durch ein anderes.
Übt lieber einfach Geduld mit eurer Müdigkeit und Schläfrigkeit, lasst sie in Ruhe, löst euch davon. Ihr sitzt sozusagen wieder im Kino, aber diesmal ist irgendetwas mit dem Projektor. Das Bild wird nicht scharf. Aber das ist nicht eure Sache. Der Filmvorführer wird es schon in Ordnung bringen. Ihr lasst es einfach, wie es ist, und sitzt geduldig da. Und wenn ihr wirklich Geduld habt, vergeht die Müdigkeit nach einiger Zeit wie Morgendunst an der Sonne. Nur Geduld, das ist alles. In diesem Nicht-Tun kann der Geist Kraft sammeln. Merkt euch einfach diese simple kleine Formel: Wenn die Energie nicht mehr ins Tun fließt, wird sie zunehmend ins Erkennen fließen.
Leider vertraut ihr dieser Formel meistens nicht und könnt deshalb nicht einfach bei eurer Müdigkeit bleiben. Stattdessen schiebt ihr sie noch an, weil ihr euch darauf einlasst. Ihr wollt das Problem lösen, aber das macht euch nur noch müder, und ihr macht es euch selbst unnötig schwer. Erkennt ihr jedoch die Wahrheit dieser simplen Formel – dass die Energie ins Erkennen fließt, sobald sie nicht mehr ins Tun fließt –, dann wisst ihr, weshalb ihr anfangs müde seid, und was zu erwarten ist, wenn ihr geduldig bleibt und nichts tut. Diese Sicht der Dinge kann euch nur zuversichtlich machen.
Stellt euch also vor, dass ihr das alles nur wie einen Film anschaut, ihr springt nicht auf, ihr schreit nicht, ihr schießt nicht auf die Müdigkeit, weil ihr gegen sie seid. Wenn ihr nur dasitzt und zuschaut, sei es auch dumpf, werden ihr erleben, dass die Energie irgendwann doch der Achtsamkeit zugutekommt. Der Geist wird klar und licht. Wenn ihr den ganzen Ablauf verstanden habt, wird das Meditieren viel leichter und macht viel mehr Spaß. Sobald ihr verstanden habt, wie das Ganze funktioniert, seht ihr die Fehler, die ihr macht. Dann können Frieden und Freude einkehren und eure Energie nimmt zu. Da habt ihr dann ein wunderbares Mittel, um die Sankharas zu beruhigen – die mentale Aktivität, den Willen, das Kontrollieren.
Das könnt ihr mit einer Betrachtung der Ichlosigkeit unterstützen. Sagt euch: »Es ist sowieso niemand da, der kontrollieren könnte, hier drinnen ist niemand, das geht mich alles nichts an, überlassen wir es doch einfach sich selbst.« Das ist wahrer Buddhismus, es ist genau das, was die Suttas sagen. Macht euch klar, dass es hier kein Ich gibt, das etwas tun könnte, es ist alles nur das Spiel der fünf Khandhas – was also gäbe es für einen Grund zu kämpfen? Diese Überlegung allein gibt euch die Sicherheit, die Dinge sich selbst zu überlassen – und zu erkennen, was es überhaupt heißt, die Dinge sich selbst zu überlassen.
Sinnliches Begehren und Übelwollen
Die ersten beiden der fünf Hindernisse, Begehren und Übelwollen, sind die wichtigsten. Begehren heißt, dass du etwas anderes möchtest als das, was du hast. Übelwollen heißt, dass du das nicht magst, was du hast. Beide sind demnach einfach Formen des Habenwollens. Wenn du etwas anderes willst – sei es die nächste Stufe der Meditation, Essen, das Ende des Retreats oder was auch immer –, kannst du nicht da sein, wo du gerade bist.
Aus der griechischen Mythologie kennen wir die Sirenen. Ihr Gesang ist so betörend, dass er Seeleute veranlasst, ihr Schiff auf die Klippen zu steuern. Das tut das Begehren: Es lockt euch, es steuert euch auf die begehrte Sache zu, bis eure Meditation buchstäblich scheitert. Glück oder Frieden sind da nicht zu finden. Begierden ziehen euch gerade weg von allem, was wahre Befriedigung bieten
Weitere Kostenlose Bücher