Meditation
schlechtem Kamma hat jeder, wenn nicht aus diesem Leben, dann aus einem früheren. Selbst wenn es nicht bei eurem nächsten Tod ausreift, irgendwann stehen euch große Leiden bevor, wenn ihr im Samsara bleibt – in der Hölle, im Bereich der Tiere oder unter den schwierigen Bedingungen des Menschenlebens. Sicher seid ihr erst, wenn ihr das Nicht-Ich ganz durchdringt und in den Strom Eingetretene werdet.
Die Wurzel aller Probleme: das Ich-Gefühl
Samsara ist furchtbar. Ihr habt keine Zeit zu verlieren, ihr könnt es euch nicht leisten herumzutrödeln. Die bloße Vorstellung, in die Welt zurückzugehen – oder gar aus dem Kloster auszutreten –, wenn ihr gerade angefangen habt, von ihr zu lassen, ist der schiere Wahnsinn. Das einzig Vernünftige ist, den Weg weiterzugehen und endlich richtig in Schwung zu kommen. Ihr wollt ja nicht nur ins Jhana kommen oder still werden, so wichtig das ist; ihr wollt sehen und verstehen, wer oder vielmehr was diese Person da drinnen eigentlich ist. Was sorgt da immer für Umtrieb, was kommt und geht da ständig? Was ist frustriert? Was besorgt all dies Denken? Was regt sich auf? Was wird wütend? Woher kommt das alles? Schaut in die Richtung dessen, der erfährt: Was ist es, das Schmerz und Lust erfährt? Woher kommt der Wille, wenn »ich« eine Wahl treffe? Wenn sich der Geist regt und auf etwas hinaus will, was will da? Je mehr ihr euch bei der Erforschung dieser Vorgänge auf die in der Meditation gewonnene Einsicht und Stille stützt, desto klarer werden sie euch.
Seht euch nicht da draußen um, sondern hier drinnen, blickt nicht auf das, woran ihr haftet, sondern auf den Ursprung und den Ablauf des Haftens. Seht euch an, woher die Dinge kommen, und achtet besonders auf die Ursache-Wirkung-Beziehungen. Woher kommen Gedanken? Seht es euch gut an, und ihr werdet erkennen, dass sie von eurem Identitätsgefühl ausgehen beziehungsweise von dem Wunsch, diese Identität auszubauen und abzusichern. »Ich denke, also bin ich« – nein, so ist es nicht, sondern anders herum: Ihr wollt sein, deshalb denkt ihr. Ihr seid in Bewegung, um eure Welt, eure Identität zu bauen.
Wenn ihr etwas erschafft, ist es zuerst sehr schön, aber wie in allen Märchen wenden sich die Geschöpfe am Ende gegen ihren Schöpfer. Ich habe sehr viel getan, um das Kloster Bodhinyana aufzubauen, es ist meine Schöpfung, wenn man so will. Aber wenn ich nicht aufpasse, kann diese Schöpfung am Ende mein Zuchtmeister werden, ich könnte mir Tag und Nacht Gedanken und Sorgen um das Kloster machen. Wenn du einen Partner findest und er dein wird, denkst du zuerst auch, dass er wirklich dein ist, aber später findest du heraus, dass du in Wirklichkeit sein Besitz bist. Wenn deine Macht und Freiheit dahin sind, verwandelt sich deine Schöpfung in einen Dämon, der von dir zehrt. Erschafft also nicht, seid nicht so darauf aus zu sein, strebt lieber nach Stille. In Ruhe und Frieden findet der Geist zu seinem Gleichmaß – keine Schlaglöcher, keine Probleme, keine Leiden, kein Wunsch, ein Identitätsgefühl aufzubauen. Wenn das Begehren verblasst, das Wünschen, Wollen und Wählen, verschwindet auch alle Aufregung.
Wenn du wahres Glück suchst, verschwinde
Ich bin jedes Jahr dabei, wenn die Curtin University ihre Auszeichnungen vergibt. Mir machen diese Feiern einfach Spaß, man hört anregende Geschichten über Leute, die dem Gemeinwohl in besonderer Weise gedient haben. Vor ein paar Jahren habe ich sogar selbst eine solche Medaille bekommen. Mir scheint, dass man als Mönch umso mehr Anerkennung bekommt, je mehr man verschwindet. Allerdings, wenn man verschwindet, ist nichts mehr da, wohin man die Medaille hängen könnte. Sie stecken sie einem hin, aber sie fällt irgendwie durch, es ist nichts da, woran sie halten könnte.
Wenn ihr diesen Weg geht, verschwindet ihr nach und nach. Wenn ihr das mit dem Verschwinden in die Stille und Ruhe verstanden habt, geht euch allmählich auf, was mit Anatta oder Nicht-Ich gemeint ist. Je mehr Ruhe ihr habt, desto weniger existiert ihr nämlich und desto weniger Ich-Gefühl und Seins-Gefühl bleibt zurück. Das mag beängstigend wirken, aber es ist in Wirklichkeit sehr schön. Es ist sogar das einzige Glück, das es gibt, denn mit dem Ich-Gefühl verschwinden auch Leiden jeglicher Art. Und das Bestreben, von Leiden frei zu sein, treibt euch auf diesem Weg weiter. Es mag viele Jahre dauern oder nur ein paar, jedenfalls ist Geduld das einzig Vernünftige: Bleib auf dem Weg, und
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