Medizin der vier Temperamente
Gewürzen nicht vorbei. Seit dem Mittelalter haben sich allerdings einige Spitzenreiter vom breiten Mittelfeld abgesetzt. Folgende Gewürze wurden in der abendländischen Gesundheitslehre besonders intensiv untersucht und auf ihre medizinische Tauglichkeit geprüft:
Die sieben »Altgewürze« Zimt, Muskat, Ingwer, Galgant, Safran, Nelke und Pfeffer.
Später kam das amerikanische »Neugewürz« Vanille dazu.
Die sieben Klassiker
Die sieben Gewürze Zimt, Muskat, Ingwer, Galgant, Safran, Nelke und Pfeffer waren der Grundstock der europäischen Würzkunst zwischen Mittelalter und Barock. Manchmal hat man auch Galgant oder Ingwer unter den Tisch fallen lassen. Ingwer und Galgant wurden im Mittelalter nämlich als Bruder und Schwester der gleichen Geschmacknuance interpretiert – was botanisch gerechtfertigt ist, denn beide Gewürze sind eng miteinander verwandt. Der Renaissance-Starkoch Bartolomeo Scappi liebte den markanten Ingwer, während Hildegard von Bingen den weicheren Galgant vorzog.
Aus den sieben Gewürzen (oder sechs, wenn entweder Ingwer oder Galgant fehlt) komponierte man Paradiesmischungen.
Kein berühmter Koch ließ es sich nehmen, seine eigene Version auszuarbeiten. Falls Sie noch nach dem Mischungsverhältnis Ihrer persönlichen Paradiesmischung suchen, sollten Sie sich an Bartolomeo Scappi orientieren, einem der berühmtesten Köche des 16. Jahrhunderts. Er hat extra für seinen Dienstherrn Papst Paul V. eine Gewürzmischung komponiert. Diese Gewürzmischung ist als eine Art »Curry der Renaissance« universal einsetzbar.
Die weiten Transportwege machten die Gewürze aus dem Orient zum kostbaren Gut.
Das Curry der Renaissance
Zutaten
85 g Zimtstangen
25 g Nelken
15 g getrocknete Ingwerwurzel
15 g geriebene Muskatnuss
7,5 g Pfeffer
7,5 g Safran
15 g brauner Zucker
Zubereitung
Zimtstangen brechen und Muskatnuss reiben. Dann alle Gewürze im Mörser zermahlen – oder einfacher: in der Küchenmaschine pulverisieren! Die Gewürzmischung ist luftdicht verschlossen bis zu sechs Monate haltbar.
Vier Hauptgewürze
Die vier Einzelgewürze Zimt, Muskat, Safran und Ingwer gehörten über Jahrhunderte zum Standardrepertoire der traditionellen abendländischen Gesundheitsküche. Wer heute Zimt, Muskat und Ingwer hört, der denkt meist an Advent und Weihnachten. In der traditionellen Kochkunst Europas standen diese Gewürze allerdings für unvergleichlich mehr als nur für die Weihnachtsromantik von Lebkuchen, Stollen und Glühwein.
Gewürztabelle
Gewürz
Ingwer
Zimt
Muskat
Safran
Entsprechung
Luft
Feuer
Erde
Wasser
Balance für
Melancholiker
Phlegmatiker
Sanguiniker
Choleriker
Passt gut im
Herbst
Winter
Frühling
Sommer
Zimt wurde zwar auch für Süßspeisen verwendet, aber noch öfter tauchte er in salzigen Gerichten auf: Im Mittelalter schwenkte man Pasta in Zimtbutter und Parmesan. Man erhitzte Zimtstangen mit Rotwein, Orangenschalen und weiteren Gewürzen in der Pfanne – als Schmorsoße für Fleisch, Fisch und Gemüse.
Das Geheimnis der leckeren und gesunden altabendländischen Küche sind ihre Kochtechniken, die heute beinahe vergessen sind. Das zeigt sich auch im Umgang mit Gewürzen. Wenn man Zimt, Muskat, Safran und Ingwer – wie heutzutage oft üblich – einfach nur als Pulver über Speisen streut, dann tut sich kulinarisch wenig. Man muss diese Gewürze mit Öl, Alkohol oder durch Bearbeitung im Mörser aufschließen, damit ihre Kräfte und ihr Bukett frei werden.
Alle Gewürze sind übrigens warm-feucht oder warm-trocken. Sie gehören zum Element Luft oder Feuer und machen beim Essen sanguinisch oder cholerisch. Und dennoch haben die Therapeuten des Mittelalters entdeckt, dass jedes der vier Hauptgewürze ganz besonders einem der vier Temperamente beziehungsweise Elemente entspricht.
Luftiger Ingwer
Kurzportrait
Von der Ingwerpflanze verwendet man das Rhizom, das botanisch gesehen ein Sprossensystem (keine Wurzel) ist. Schneidet oder reibt man nun dieses Ingwerrhizom, entfaltet sich ein erfrischendes und zitronenartiges, scharfes und heißes Aroma.
Dieses Aroma ist Resultat der Inhaltstoffe: Im ätherischen Öl dominieren zahlreiche Sesquiterpene, darunter das Zingiberen. Die kräftige Schärfe des Ingwers ist ein Frische- und Qualitätsmerkmal: Die scharfen Stoffe (Gingerole) wandeln sich während der Lagerung in milde Substanzen (Shoagole) um. Je milder, desto älter, je schärfer, desto frischer und gesünder!
Die Pflanze stammt aus Südchina, ist heute aber im ganzen
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