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Medizin für Melancholie

Medizin für Melancholie

Titel: Medizin für Melancholie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Martínez.
    Er riß die Tür auf.
    Vamenos stand mit zwei Hälften seines zerfetzten Taschentuchs in den Händen lachend draußen.
    »Ratsch! Schaut euch bloß eure Gesichter an! Ratsch!« Er zerriß den Stoff noch einmal. »Oh, eure Gesichter, haha!«
    Mit dröhnendem Gelächter schlug er die Tür zu und ließ die anderen wie betäubt zurück.
    Gómez legte sich beide Hände an den Kopf und wandte sich ab.
    »Steinigt mich, tötet mich. Ich habe unsere Seelen einem bösen Geist verkauft!«
    Villanazul wühlte in seinen Taschen, nahm eine Silbermünze heraus und musterte sie eine Weile.
    »Hier sind meine letzten fünfzig Cents. Wer kann mir helfen, Vamenos’ Anteil am Anzug zurückzukaufen?«
    »Das hat keinen Zweck.« Manulo zeigte ihnen zehn Cents.
    »Wir können gerade die Aufschläge und die Knopflöcher bezahlen.«
    Gómez, der am offenen Fenster stand, beugte sich plötzlich vor und schrie: »Vamenos! Laß das!«
    Unten auf der Straße blies der erschrockene Vamenos ein Streichholz aus und warf einen alten Zigarrenstumpen fort, den er irgendwo aufgelesen hatte. Er machte eine seltsame Geste zu den Männern oben am Fenster, dann winkte er vergnügt und schlenderte weiter.
    Die fünf Männer kamen irgendwie nicht vom Fenster fort. Sie standen dicht zusammengedrängt da.
    »Ich wette, er ißt in diesem Anzug einen Hamburger«, grübelte Villanazul. »Ich denke dabei vor allem an den Senf.«
    »Nein«, schrie Gómez. »Bitte nicht!«
    Manulo war plötzlich an der Tür.
    »Ich brauche dringend was zu trinken.«
    »Manulo, da ist doch Wein, die Flasche auf dem Fußboden…«
    Manulo ging hinaus und schloß die Tür.
    Einen Augenblick später reckte sich Villanazul mit übertriebenen Bewegungen und schlenderte durch das Zimmer.
    »Ich glaube, ich gehe mal zur Plaza rüber, Freunde.«
    Er war noch nicht eine Minute fort, als Domínguez den anderen mit seinem schwarzen Buch zuwinkte und den Türgriff drehte.
    »Domínguez«, sagte Gómez.
    »Ja?«
    »Solltest du zufällig Vamenos sehen, dann warne ihn vor Mickey Murillos Café zum Roten Hahn. Da schlagen sie sich nämlich nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch davor.«
    »Er geht nicht zu Murillo«, antwortete Domínguez. »Der Anzug bedeutet Vamenos zuviel. Er tut nichts, was ihm schaden könnte.«
    »Eher würde er seine Mutter erschießen«, ergänzte Martínez.
    »Ganz bestimmt.«
    Martínez und Gómez blieben allein zurück und hörten Domínguez die Treppe hinunterlaufen. Sie schlichen um die nackte Schaufensterpuppe herum.
    Gómez stand eine Zeitlang am Fenster, biß sich auf die Lippen und blickte hinaus. Er berührte zweimal seine Hemdentasche, zog die Hand aber wieder fort. Schließlich nahm er etwas heraus. Ohne es anzusehen, reichte er es Martínez.
    »Martínez, nimm das.«
    »Was ist es?«
    Martínez betrachtete das Stück rosa Papier mit gedruckten Buchstaben darauf, mit Namen und Nummern. Er riß die Augen auf.
    »Eine Fahrkarte für den Bus nach El Paso, in drei Wochen!«
    Gómez nickte. Er konnte Martínez nicht ansehen. Er starrte hinaus in die Sommernacht.
    »Gib sie zurück. Hol das Geld«, sagte er. »Kauf uns einen hübschen weißen Panamahut und eine blaßblaue Krawatte zum weißen Anzug. Martínez. Tu das.«
    »Gómez…«
    »Halt den Mund, Junge. Ist das heiß hier! Ich brauche Luft.«
    »Gómez. Ich bin gerührt. Gómez…«
    Die Tür stand offen. Gómez war fort.
     
     
    Mickey Murillos Café und Cocktailstube zum Roten Hahn lag zwischen zwei großen Ziegelsteinbauten eingeklemmt und war schmal und tief. Draußen zischten und zuckten rote und schwefelgrüne Neonlampen, drinnen sah man trübe, drohende Gestalten, die fortschwammen und sich im nächtlichen Meer verloren.
    Martínez stand auf Zehenspitzen und spähte durch eine abgeblätterte Stelle des rotbemalten Fensters.
    Er spürte etwas zu seiner Linken, hörte es zu seiner Rechten atmen und blickte in beide Richtungen.
    »Manulo! Villanazul!«
    »Ich stellte fest, daß ich gar keinen Durst hatte«, sagte Manulo.
    »Darum machte ich einen Spaziergang.«
    »Ich war unterwegs zur Plaza«, sagte Villanazul, »und beschloß einen Umweg zu machen.«
    Wie verabredet schwiegen die drei Männer jetzt, drehten sich um und spähten, auf den Zehenspitzen stehend, durch die abgekratzten Stellen im Fenster.
    Einen Augenblick später spürten sie alle drei etwas hinter sich und hörten einen rascheren Atem.
    »Ist unser weißer Anzug da drin?« fragte Gómez’ Stimme.
    »Gómez«, sagten die

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