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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Region im Tassili N’Ajjer hinzugefügt werden.
    Die Gruppe folgte einer engen Biegung und erreichte ein helles, lichtdurchflutetes Tal. Mit seinem Kennerblick erkannte Chris sofort, dass die Darstellungen spektakulär waren: Gestalten, die nur mit einem Lendenschurz bekleidet waren und Federschmuck trugen. Bewaffnet mit Bogen und Speeren machten sie Jagd auf Elefanten, Giraffen und Antilopen. Im Gegensatz zu den Tieren sahen die Menschen vergleichsweise unproportioniert aus. Arme und Beine wirkten grob, die Leiber in die Länge gezogen. Am auffälligsten aber waren ihre Köpfe. Es handelte sich um bizarre, kugelförmige Gebilde mit einem Zyklopenauge in der Mitte und schlangenartigen Auswüchsen an den Seiten.
    Patrick Flannerys Kopf bewegte sich hin und her, wie der eines Wiesels. »Unglaublich«, murmelte er. »Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wie alt sind die denn?«
    »Hast du etwa die Dossiers nicht gelesen, die wir bekommen haben?« Patrick erntete einen tadelnden Blick von Albert Beck, dem Tontechniker. »Natürlich nicht. Denn dann wüsstest du ja, dass die Bilder aus der Rundkopf-Epoche stammen. Sie sind also mindestens neuntausend Jahre alt.« Ein feines Lächeln huschte über sein Gesicht, als er vor den anderen sein Wissen ausbreiten durfte. »Damit sind sie dem Neolithikum, der Jungsteinzeit zuzurechnen, der frühesten Phase nordafrikanischer Felsmalerei. Hannah, du korrigierst mich bitte, wenn ich Unsinn erzähle.«
    »Ich bin beeindruckt«, grinste Hannah. »Verfügen alle von euch über so gute Fachkenntnisse, oder soll ich auch mal ein bisschen dozieren?«
    Irene lächelte verlegen. »Ich glaube, da tätest du uns einen großen Gefallen, denn außer Albert und Chris kennt sich niemand so richtig damit aus. Dossiers hin oder her«, fügte sie mit einem spöttischen Blick in Alberts Richtung hinzu. Hannah kramte in ihrer Tasche und förderte ihre Brille zutage. »Also gut, ihr habt es so gewollt.« Sie wandte sich einer besonders ausgeprägten, fliegenden Figur zu. »Beginnen wir mit dieser Darstellung. Wie Albert schon erwähnte, ist dieses Bild etwa neuntausend Jahre alt. Namensgebend für diese Epoche sind die ausgeprägten runden Köpfe, die entfernt an Astronauten erinnern. Da ist es kein Wunder, dass Henri Lhote, der berühmte Afrikaforscher, diese Figuren bei ihrer Entdeckung als große Marsgötter bezeichnet hat. Das Volk, das die Bilder schuf, stammte nach neuesten Forschungen aus dem Herzen Afrikas. Bis auf den heutigen Tag ist das abrupte Verschwinden dieser blühenden Kultur ungeklärt. Keines der nachfolgenden Völker hat jemals Bildnisse hinterlassen, die Rückschlüsse auf ihren Verbleib zuließen. Mehr noch, es gibt Hinweise darauf, dass Darstellungen, die Licht in diese Angelegenheit gebracht hätten, absichtlich ausgelöscht wurden. Es scheint fast, als sollte das Volk der Rundköpfe aus den Geschichtsbüchern getilgt werden. Mysteriös, nicht wahr? Eines der großen Rätsel der Archäologie.«
    Chris spürte, wie ein Verdacht in ihm aufstieg. Hatte Hannah eine Antwort auf diese Frage gefunden? Vielleicht hatte sie Darstellungen entdeckt, die in der Lage waren, das Geheimnis zu lüften. Und wenn ja, hatte die National Geographic Society davon Wind bekommen? Zumindest würde das den immensen Aufwand rechtfertigen, den sie hier betrieb.
    Sein Blick wanderte hoch zu der überhängenden Felswand. Eine prächtige, zwei Meter große Antilope prangte dort. Weiße Farbe mit roter Kontur. Ihre Vorderläufe in die Luft erhoben, schien sie über die Felswand zu galoppieren. Daneben, ebenso detailliert, befand sich eine Herde Mufflons. Die urzeitlichen Künstler hatten die Darstellungen so geschickt angebracht, dass die natürlichen Ausformungen der Felsen die Körpermerkmale der Tiere plastisch hervortreten ließen. Unter dem Fell schienen tatsächlich Muskeln zu spielen. Es war atemberaubend.
    Hannah fuhr indessen fort. »Was ihr hier seht, ist der erste von drei Bereichen, die ich in den letzten sechs Monaten dokumentiert und katalogisiert habe.« Ihre Worte hallten wie in einer Kathedrale von den Wänden wider. »Die Bilder stammen aus einer Zeit, in der zum ersten Mal Farben verwendet wurden. Über euren Köpfen seht ihr die klassischen Tierdarstellungen, wie ihr sie aus unzähligen Bildbänden kennt. Hier drüben …«, sie deutete mit der Hand auf die gegenüberliegende Wand, »… befinden sich Abbildungen von Menschen in einer dörflichen Gemeinschaft. Ihr werdet jetzt sicher

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