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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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aufflammte, lebendig wurde, einmal, als er nach Hause zurückkam, fand er sie im Bad: wo sie versuchte, sich das Haar abzuschneiden.
    Das auf der einen Seite lang, auf der anderen immer noch stoppelkurz war, er nahm ihr die Schere ab. Ließ dieSträhnen ihres Haars durch seine Finger gleiten, er gab sich Mühe: war aber kein sonderlich begabter Friseur. Als er fertig war, sah sie in den Spiegel.
    Lachte laut auf. Weinte dann aber doch: was er für ein gutes Zeichen hielt, für die Rückkehr ihrer Eitelkeit, er sagte,
    »Aber du bist doch trotzdem schön. Du bist eine wunderschöne Frau, auch mit deinem Stoppelkopf«,
    Im Schein des Kaminfeuers standen ihre Backenknochen hervor. Ihre Zähne waren schön: breit und weiß. Sie standen ein wenig schief, als wäre der Kiefer zu eng für sie, warum hatte sie als Kind keine Zahnspange getragen? Man hatte das offensichtlich vernachlässigt.
    Hatte sie womöglich auch noch in anderen Punkten vernachlässigt, ihr merkwürdiger altmodischer Mund rührte ihn. Ihre Lider rührten ihn: die dünne Krokusblütenhaut, die über den geschlossenen Augen zitterte, wenn sie darauf wartete, daß die Schmerzmittel wirkten, brauchte man für ein richtiges Leben die Bereitschaft, Schmerz zu ertragen? Wahrscheinlich: aber sicher nicht noch mehr Schmerz, als sie bereits ertragen hatte, er dachte manchmal an Natalie.
    Rief Natalie aber niemals an. Sprach niemals von Natalie, Gabriel rief an. Robert berichtete vage von Sinas Gesundheitszustand, Und sonst, Robby? Erinnert sie sich denn jetzt daran, wer sie ist?
    Robert sagte: Nein.
    Legte sich keine Rechenschaft darüber ab, warum er log. Bogner rief an. Robert mußte sich einen Ruck geben, um sich daran zu erinnern, wovon Bogner redete: vom richtigen Leben vielleicht, alles ging glatt im Büro, auch ohne Robert. Es wunderte ihn, daß ihn seine eigeneAbkömmlichkeit so wenig störte, verlangte ein Leben nicht Arbeit? Erfolg, Scheitern. Zu brennen für etwas: den Bau eines Lagers für Büroklammern womöglich, vielleicht mußte man gänzlich neu anfangen, jeden Tag wieder. Sein Leben immer wieder von vorn beginnen, natürlich würde man dann viele Fehler begehen: aber wobei?
    Das war das Problem. Er versuchte, an jemanden zu denken, der ein Leben gehabt hatte. Nelson Mandela vielleicht, Mick Jagger? Mies van der Rohe, Dr. Livingstone, aber er, Robert Brauer, war nicht geeignet zum Nationalhelden. War kein Rockstar, kein Afrikaentdecker, würde noch nicht einmal die Architektur revolutionieren, was konnte er ihr also bieten, der Eisprinzessin: Glück vielleicht?
    Liebe, Geborgenheit, aber das waren lediglich Worte. Und zwar die Worte eines Verliebten, er erschrak zutiefst, als ihm das klar wurde. Schob den Gedanken sofort von sich weg. Verbot sich, weiterhin an sie als die Eisprinzessin zu denken, sie trug einen Namen: Sina Fischer, er kannte nun ihren Namen.
    Kannte ihren Körper. Kannte ihre Brüste, die geraden Schultern wie die einer Geliebten. Kannte ihre Hüften und Beine. Hätte die Perlenkette der Wirbelsäule, das Muttermal auf ihrer Schulter blind zeichnen können, kannte die Narbe rechts über der Scham. Kannte ihre Scham: oder doch den dichten Flaum dunkler Haare darüber. Den er niemals berührt hatte, er berührte ihren Körper viele Male am Tag. Umschlang sie, wenn sie sich setzen, wenn sie aufstehen wollte. Fühlte dann ihren Arm um seine Schultern gleiten, preßte sie an sich, um sie haltenzu können. Fühlte ihren Atem an seiner Wange, im Bad fühlte er ihre Haut.
    Redete dann. Sah aus dem Fenster, um nichts zu fühlen. Um sie nicht zu beschämen mit seiner Anwesenheit: Aber sie selbst schien keinerlei Scham vor ihm zu empfinden, manchmal kränkte das etwas in ihm. Er hielt ihre Hände, wenn der Arzt die Verbände wechselte.
    Sie hielt ihn dann fest. Bedurfte seiner: seines Körpers, seiner Kraft. Bediente sich seiner, verließ sich auf ihn. Vertraute darauf, daß er da war: Er wußte, er konnte genau so sein, wie sie ihn brauchte.
    War tatsächlich der, den sie in ihm sah. Ihr Blick brachte ihn endlich zum Vorschein: den wirklichen Robert Brauer. Der schwer war: ein Halt. Ein Fels in der Brandung. Ein Mann: an den sie sich anlehnte, dachte sie manchmal an ihn so: als Mann? Manchmal träumte er nachts von ihr. Konnte sich aber nie an diese Träume erinnern. Wußte noch nicht einmal, ob sie erotischen Inhalts gewesen waren, war froh darüber, daß er es nicht wußte, manchmal kurz vor dem Einschlafen gab etwas in ihm nach: sein

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