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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Small talk eingebüßt mit ihren Zehen, dies hier war aber ein guter Bekannter von Robert. Sie grub etwas aus, das sie sagen konnte,
    »Aber das war doch Robert. Er hat die Kristalle gekauft«,
    Jeremy nickte. Grinste,
    »The things we do for love«,
    Der Satz hatte ein Echo. Robert wandte den Kopf ab. Vermied Sinas Blick, sah hinaus aufs Meer, Blumenkohlwolken hatten sich vor die Sonne geschoben. Das Wasser war teefarben, stumpf. Metallisch: als würde es dröhnen, wenn man es anschlug, Jeremy sagte,
    »Ist heute nicht ein herrlicher Tag? Der Frühling auf dem Cape ist wirklich wundervoll. Übrigens auch die beste Zeit, um Wale zu beobachten. Finnwale, Minkes, Buckelwale,Sie müssen sie sich unbedingt ansehen, Sina. Sobald Sie wieder gesund sind«,
    Er ließ sie nicht aus den Augen, während er sprach. Stellte sie auf eine Bühne. Zog sie nach vorn, an die Rampe: so daß sie nicht fliehen, in den Kulissen verschwinden konnte, die Sonne kam jetzt wieder hervor. Blitzte auf dem Wasser. Schmolz sein stumpfes Metall, machte es glutflüssig, Jeremy erkundigte sich nach Sinas Befinden. Fragte nach Details von Sinas Behandlung, lehnte sich vor. Wartete auf Antworten, sie sagte,
    »Der Arzt hat die Medikamente reduziert.«
    Rang sich Bekenntnisse ab,
    »Ich mache Übungen. Ich soll diese Übungen machen, aber ich kann es nicht«,
    Tränen schössen ihr in die Augen, sie wollte jetzt heimgehen. Der Ober kam. Robert bestellte.
    Hätte am liebsten ein Bier getrunken. Bestellte Cappuccino, Mineralwasser: um Sina nicht auf dumme Ideen zu bringen, Jeremy zog den schwarzen Kimono fester zu, den er über den weiten Leinenhosen trug. Sagte,
    »Vielleicht bringen die Übungen etwas zurück. Muskeln erinnern sich an jeden Schmerz, bestimmte Bewegungen können ihn zurückbringen, vielleicht sind Sie gegangen oder gerannt, als der Schläger Sie getroffen hat. Vielleicht haben Ihre Beine jetzt Angst davor, wieder gehen zu lernen«,
    Und warum ging sie dann überhaupt weiter? Wo schleppte sie sich denn hin, auf ihren Krücken, der Schmerz war ein Land. Ein glühendes Land: erfüllt von gleißender Helle, den Schreien der Geier. Dem Lärm, dem Geruch des Schlachtens, das Schmerzland war endlos. Es hatte keine Grenze. Keinen Übergang: an demman Papiere vorzeigte, dann aufatmend den Schlagbaum passierte, sie würde niemals zurückkehren. Würde nie jemandem davon berichten können, was für ein unglaubliches Land sie entdeckt hatte: die Hölle, Jeremy sagte: »Vielleicht haben Sie Ihren Rhythmus verloren. Sie müssen Ihren Rhythmus wiederfinden, ich könnte Sie mal massieren, wenn Sie wollen. Es ist keine normale Massage. Es ist eine Art, mit den Händen zu lauschen, ich könnte Ihnen jetzt eine Menge erzählen über Schädelknochen und Rückenmarksflüssigkeit und was weiß ich, aber eigentlich geht es gar nicht darum. Es geht nur um Berührungen. Meistens teilt man ja etwas mit, wenn man jemanden berührt. Man begrüßt oder tröstet oder begehrt, aber man kann auch mit Berührungen zuhören. Man kann dem Körper eines anderen lauschen«,
    Und woher wußte er, daß sie ihren Rhythmus verloren hatte? Der Kaffee kam. Der Hügel aus Milchschaum darauf war porös, zimtgesprenkelt wie ein Vogelei, sie stieß den Löffel hinein. Rührte, zerstörte, Robert sagte: »Wo hast du das denn gelernt, Jeremy?«
    Dachte daran, wie er selbst Sina hielt. Wußte genau, wie er sie stützen mußte mit seinen Händen, er hatte nicht vor, sie irgendwelchen abstrusen Praktiken zu unterziehen. Sagte: »Das mit der Massage, meine ich, wo hast du das gelernt«,
    »In New York natürlich«, sagte Jeremy. »In einem Institut, ich bin doch eigentlich Therapeut. Ich hatte eine Praxis in New York, bevor ich hier herkam, wußtest du das nicht? Bevor ich Allan getroffen habe, the things we do for love! Der Laden war seine Idee. Natürlich hatte er keinen Cent in der Tasche. Und natürlich ist er längst abgehauen, mit irgendeinem kalifornischen Surflehrer. Irgendeinemblonden blauäugigen Adonis, und ich sitze da, mit diesem Laden«,
    Er lachte auf. Robert hatte sich nie gefragt, wie Jeremy auf das Cape gekommen war. Hatte sich nie für seine Geschichte interessiert: bekam sie jetzt zu hören, weil Sina dabei war.
    Die plötzlich sagte: »Das ist das Schlimmste, nicht wahr. Von jemandem im Stich gelassen zu werden, dem man vertraut hat. Das ist das Allerschlimmste«,
    Jeremy beugte sich vor.
    »Das Schlimmste, sagen Sie«,
    Spielte ihr ihren eigenen Text zurück: damit

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