Meere - Tierparadiese unserer Erde
Brutplätze hochhausartig über dem Wasser türmen, ereignet sich in der zweiten Junihälfte ein einzigartiges Naturschauspiel, der sog. Lummensprung. Angespornt vom gurgelnd drängenden Krähen der Altvögel, die auf dem Wasser warten, stürzen sich die erst etwa drei Wochen alten Küken nach einer Phase jämmerlichen Piepens bis zu 300 m in die Tiefe. Dass die meisten von ihnen lebend und unversehrt unten ankommen, selbst wenn sie auf Felsen aufschlagen, verdanken sie einigen Raffinessen der Natur: So wiegen sie kaum ein Viertel der Altvögel und bremsen den aufrechten Sprung etwas mit ihren noch unbefiederten Flügelchen. Zudem haben ihre Knochen die Konsistenz von Gummi, so dass man ihnen Schnabel und Beine grotesk verbiegen kann. Schließlich ist ihr dichtes weißes Bauchgefieder derb und spröde, was ebenso Aufprallenergie schluckt wie die Fettpolster. Einmal im Wasser, schwimmen und tauchen die Lummenküken sofort atemberaubend schnell und wendig. Im Idealfall paddeln sie nun laut rufend zu ihren Eltern. Wohl meist zusammen mit ihren Vätern suchen die Küken anschließend nahrungsreichere Gewässer auf. Bis sie dann richtig fliegen können, vergehen noch etwa zehn Wochen.
Trottellumme
Uria aalge
Klasse Vögel
Ordnung Wat- und Möwenvögel
Familie Alken
Verbreitung Küsten und Inseln des Nordatlantiks, der Barentssee und des Nordpazifiks: im Westen vom St.-Lorenz-Golf und Neufundland über Grönland, Island, den Britischen Inseln und Norwegen bis zur Halbinsel Kola und südwärts bis in die Ostsee, Nordwest-Frankreich, Nordwest-Spanien und Portugal, auch auf Helgoland
Maße Länge: 42 cm; Spannweite: 70 cm
Gewicht bis 1 kg
Nahrung Fische, Tintenfische, Krebse und andere Wirbellose
Geschlechtsreife mit 4–5 Jahren
Zahl der Eier 1
Brutdauer 30–35 Tage
Höchstalter 10 Jahre, selten 32 Jahre
Nestflucht spart Energie
Warum aber wagen die Küken diesen todesmutigen Sprung? Die Antwort ist überraschend: um Energie zu sparen. Da Trottellummen nicht besonders gut fliegen können und der Schwirrflug viel Energie verschlingt, bleibt der Aktionsradius der Altvögel beim Füttern klein. So können sie bei jeder Fütterung nur wenig Nahrung mitbringen, die nur in den ersten Wochen für den Nachwuchs ausreichend ist. Der Anflug zum Fels ist außerdem gefährlich, denn Wanderfalken nutzen ihre Chance, die wenig wendigen Flieger abzufangen. Die weltweit auf 10 Mio. geschätzten Tiere belegen, dass die Strategie der frühen Nestflucht aufgeht.
Nicht verwechseln: der Tordalk
Meist am Rand von Lummenkolonien brütet etwas abseits der Tordalk (
Alca torda
). Mit einer Größe von bis zu 40 cm ist er zwar etwas kleiner als die Trottellumme, zumindest im Winterkleid von seiner Körperform und Färbung aber durchaus mit ihr zu verwechseln. Auch Flug- und Ernährungsweise dieses Verwandten gleichen denen von
Uria aalge
. Im Sommer fallen sein hoher, seitlich abgeflachter Schnabel mit der weißen Querlinie sowie der kürzere Hals auf. Auf Island kommen 380 000 Paare vor und auch auf Helgoland brüten etwa 15 Paare.
Der Papageitaucher: Höhlengräber und Flügeltaucher
Einen der merkwürdigsten Schnäbel hat sicherlich der taubengroße Papageitaucher. Form und Farben des papageienähnlich hohen, blau, gelb und rot gefärbten Schnabels spielen vermutlich eher eine Rolle bei der Paarbildung und Balz als beim Beutefang. Der wissenschaftliche Name
Fratercula arctica
bedeutet »arktisches Brüderchen« und bezieht sich wahrscheinlich auf den Abflug, bei dem der plumpe Vogel die Füße faltet wie ein Mönch die Hände zum Gebet.
© istockphoto.com/pauledwards
Papageitaucher mit typischem Schnabel
Maulwurf der Vogelfelsen
Im Gegensatz zu den vielen anderen Alkenvögeln, die in Felsklippen brüten, bevorzugt der Papageitaucher grasbewachsene Hänge, wo er sich mit dem blattartigen Schnabel oft mehrere Meter tiefe Brutröhren gräbt. Manchmal brütet er auch in Kaninchen- oder Sturmtaucherhöhlen oder unter Felsen. Gelegentlich benutzen auch mehrere Paare denselben Eingang, der dann aber in verschiedene Brutkessel führt. Die Paare bleiben meist über Jahre hinweg zur Brut beisammen. Beide Partner teilen sich das Brutgeschäft. Das einzige weiße und große Ei – es misst etwa 64 x 41 mm bei nur 26–30 cm Körperlänge des Altvogels – wird entweder auf den nackten Boden oder in ein dürftiges Nest aus Pflanzenteilen und Federn gelegt und 35–36 Tage bebrütet.
Die Jungvögel verbringen mindestens fünf Wochen im
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