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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Beruhigung hatte er nicht erwartet. Was, wenn er etwas tat, das ihr schaden könnte?Was, wenn er unbeabsichtigt die tödliche Sehnsucht in ihr Herz pflanzte und damit ihr Schicksal besiegelte? Vielleicht hatte die Meerjungfrau recht und seine Liebe zu Maya bedeutete nichts als Gefahr für sie. Der Gedanke, ihr fernzubleiben, erschien dennoch unmöglich. Niemals hätte er es übers Herz gebracht. Es schnürte ihm beinahe die Luft ab und erinnerte ihn an seine Atemnot gestern Nacht im Hotelzimmer. Verdammt, er hatte sich Hals über Kopf verliebt, zu einem Zeitpunkt, an dem er es eigentlich nicht gebrauchen konnte. Maya tat ihm gut. Ihre Liebe gab ihm die Kraft, die er brauchte, um seine Aufgabe durchzuziehen.
    Mit einem Seufzen schloss er die Augen, während das Prickeln mehrerer Blicke über seine Haut zog. Wenn er in dieses Flugzeug stieg, würde er bald viele Tausend Kilometer von Skye getrennt sein. Fatalismus und Abenteuerlust stiegen ihm zu Kopf, gepaart mit dem Gefühl, das Richtige zu tun. Alles war vorherbestimmt. Alle Befürchtungen und Ängste waren überflüssig und behinderten nur. Er musste sie ausklammern. Nur so konnte er tun, was getan werden musste.
    Seit er unterwegs war, schwiegen die Stimmen. Die Stille in seinem Kopf besaß etwas Wartendes, Ungeduldiges. Zum ersten Mal wich seine Verwirrung dem Bewusstsein, wer er war und in was seine Aufgabe bestand. Seine positive Grundeinstellung wurde ihm erst vergällt, als er erkennen musste, dass Maya am hintersten Ende der Maschine saß und er ganz vorne.
    Zwei Stunden später verließ das Flugzeug den Kontinent. Der Ozean tauchte unter ihm auf. Bei seinem Anblick durchfuhr Christopher ein kaum in Worte zu fassendes Gefühl. Es war immer etwas anderes, am Strand zu stehen und sich die Größe des Wassers auszumalen, oder sie zu überfliegen. Alles dort unten war tiefblau und glänzend. Es war seine Heimat. Dort war er geboren worden, und dorthin würde er zurückkehren. Eines nahen oder fernen Tages.
    In ihm schien ein Vakuum zu herrschen, dunkel und still wie das All. Die unheilschwangere Ruhe vor einem Sturm. Vielleicht auch etwas ganz anderes. Er wurde müde. So müde, als rächte sich hier und jetzt die Rastlosigkeit der vergangenen Monate. Neben ihm lehnte Jeanne ihre Stirn an das Bullauge und döste mit halb geschlossenen Augen vor sich hin. Er beobachtete sie eine Zeit lang, schwankte zwischen väterlichem Stolz und der obligatorischen Sorge des großen Bruders für seine kleine Schwester. Für ihr Alter sah dieses Mädchen zu erwachsen aus.
    „Du liebst sie, habe ich recht?“ Jeanne hatte seine Blicke gespürt und blinzelte zu ihm auf.
    „Ja.“
    „Und sie liebt dich. Das ist schön.“
    Christopher streckte eine Hand aus und strich über ihr rotblondes Haar. Ihm fiel nichts zu sagen ein, also lächelte er.
    „Ihr passt wunderbar zusammen“, murmelte Jeanne verschlafen. Keinerlei Vorwurf lag in ihrer Stimme. „Wirklich.“
    „Findest du das? Es ist für dich in Ordnung?“
    „Natürlich. Was hätte ich für ein Recht, über dein Leben zu bestimmen? Es geht dir gut. Das ist das Wichtigste.“
    „Du hast Angst um mich.“ Er nahm ihre Hand und küsste die zarten Knöchel. „Bitte hör auf damit. Du bist schon ganz dünn geworden vor Sorge.“
    „Das Meer ist stark. Stärker als ich.“
    „Hör auf damit. Wir hatten das doch schon geklärt.“
    Sie lächelte dünn. „Du willst dich gegen etwas wehren, dass seit Millionen von Jahren existiert. Das so groß ist, tief und mächtig. Komm schon, machen wir uns nichts vor.“
    „Ich habe mich entschieden.“ War es wirklich Stärke, die er fühlte, oder nur kindlicher Trotz gegenüber etwas Unausweichlichem? Jeanne wusste nichts von seinem Anfall gestern Abend und er würde den Teufel tun, es ihr zu erzählen. „Die Meerjungfrau konnte rein gar nichts dagegen tun.“
    „Und wie lange willst du das durchhalten? Bis ich tot bin? Bis Maya …“ Sie blickte beschämt zu Boden. „Es tut mir leid.“
    Er ließ ihre Hand los. Jeanne lehnte die Stirn wieder gegen das Bullauge. Ihr Blick ging ins Leere und der Ausdruck war ihm allzu vertraut.
    „Ich bleibe bei dir, solange du mich brauchst“, sagte er. „Nimm das als Versprechen. Nein, nimm es als Schwur.“
    Sie nickte und schloss die Augen. Glaubte sie ihm? Glaubte er sich selbst? Er drehte sich um und suchte nach Maya, hungerte nach ihrem Anblick. Wie ein kleines Kind in ihre Wildlederjacke gekuschelt saß sie viel zu weit weg und hörte

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