Meerestochter
ist.» Rose verzog das Gesicht. «Erst wollte ich nicht. Aber jetzt denke ich, dass vielleicht …»
Adrian hob die Hand. «Ach weißt du, die Fußbodenheizung muss wirklich nicht sein, glaub mir.»
«Aber du könntest so vieles …»
Wieder brachte er sie mit einer Geste zum Schweigen. «Ich komme zurecht, Tante. Bestimmt. Aber ich danke dir.»
Diesmal dauerte das Schweigen länger. Beide schauten zu, wie der Garten draußen in der hereinfallenden Schwärze versank und sich ihrer beider Spiegelbilder immer deutlicher auf den Scheiben abzeichneten. Einträchtig saßen sie beisammen.
«Ja, aber was soll denn dann draus werden?», fragte Rose schließlich.
Adrian versuchte ein Grinsen. «Muss denn was draus werden?»
«Meinst du, dass du vielleicht einmal …»
«Nein!» Seine Antwort kam schnell und entschieden. «Das Meer und ich», sagte Adrian, «wir gehen – wie sagtest du? – getrennte Wege. Ein Bootshaus ist wirklich das Letzte, was ich brauche.»
Als sie widersprechen wollte, schüttelte er nur den Kopf. «Manche Dinge kommen eben nicht mehr in Ordnung», sagte er.
«Es tut mir so leid, Adrian.»
«Ja», erwiderte er und dachte dabei an vieles. «Mir auch. Und außerdem», fügte er nach einer Weile hinzu, «kriegt dieses Broxtoner Pack von mir gar nichts. Nicht mal einen morschen Apfelbaum.»
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11. Kapitel
Maud stand vor ihrem engbrüstigen elisabethanischen Häuschen, breitbeinig und mit in die Hüften gestemmten Händen, als Adrian dort vorgefahren kam. Er konnte gerade noch Ned sehen, der im Weggehen die rechte Hand grüßend über die Schulter gehoben hatte, ohne sich noch einmal umzuschauen.
«Was wollte der denn hier?», fragte Adrian, als er ausstieg und zum Kofferraum ging.
«Nachbarschaftshilfe», sagte Maud schnippisch und wuschelte ihm durch das Haar.
Adrian durchfuhr ein kleiner Stromstoß bei der Berührung. Das hatte sie noch nicht allzu häufig getan. Einmal hatte sie seine Arme um ihre Hüften geduldet. Aber da waren sie beide betrunken gewesen. Und Maud trank nicht oft.
Trotzdem wich er der Berührung aus wie ein unwirsches Kind. «Schau», sagte er stattdessen und präsentierte stolz seine Beute: eine Kommode aus Nussbaumholz, ein dazu passender Spiegel mit gedrechseltem Rahmen, ein zierliches Beistelltischchen mit Intarsien.
Maud musterte alles mit sichtlicher Zufriedenheit. «Und das hat deine Tante alles rausgerückt?»
«Sie ist ein großzügiger Mensch», sagte Adrian, «wirklich.»
«Sie kann mich nicht leiden.» Maud nahm ein Bild aus dem Kofferraum und strich über die Blattvergoldung des Rahmens.
«Sie schätzt dich sehr», widersprach Adrian lahm. Er betrachtete Maud. Sie war schlank, fast zerbrechlich schmal in der Taille, aber mit üppigem Po und einem Busen, nach dem jeder Mann in Broxton sich umdrehte. Am bemerkenswertesten allerdings war ihr kupferfarbenes Haar, das sie zu einem exakten Pagenkopf geschnitten trug, der streng ihr schmales Gesicht umgab. Die Augen darin waren groß und überraschend dunkel und gaben ihr etwas Empfindsames, Abwehrendes, Zerbrechliches und irgendwie Französisches, fand Adrian. Immerhin hatte sie Vorfahren aus Calais.
«Träum nicht», riss Maud ihn aus seinen Überlegungen. Sie wies auf die Kommode. «Pack lieber mit an.» Das ‹mit› war eine Übertreibung. Adrian alleine war es, der das schwere Ding schließlich aus dem Auto hievte und nach drinnen und in den ersten Stock hinaufschleppte. Maud quetschte sich schon auf den ersten Stufen den Finger und ließ sich den angesplitterten Nagel von ihm verbinden. Gesplittert war vor allem der rosafarbene Lack darauf. Aber sie schob die Lippe vor und schmollte, als er andeutete, dass er sich weitere Hilfe von ihr erhoffte.
Als er fertig war, stand sie wieder vor dem Ölgemälde. «Ich überlege, ob man das hier mal einem Antiquitätenhändler zeigen sollte», murmelte sie und versuchte, den Staub von der Signatur zu kratzen.
«Das hätte meine Tante aber nicht gewollt», wandte Adrian ein.
«Sie hat dir doch den Krempel überlassen, oder?» Maud lachte fröhlich. «Ihr Pech, wenn es am Ende kein Krempel ist.»
Wie viel weicher sie aussah, wenn sie lachte. Adrian vergaß seine gequälten Armmuskeln. «Ich bin dabei», platzte er heraus. «Bei dem Dubai-Projekt. Dem Hotelbau. Als Architekt.» Innerlich fluchte er. Diese gute Nachricht hatte er ihr eigentlich bei einer Flasche Sekt beibringen wollen, die er vorsorglich besorgt hatte und die noch im
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