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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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wäre. Und deshalb musste ich ihr versprechen, dir gegenüber so zu tun, als ob ich es nicht wüsste.«
    »Aber du bist doch meine Freundin!«
    »Ja, Ruby, ja, das bin ich«, sagte ich.
    Schweigen. Dann wieder leises Wimmern.
    »Weißt du, das mit Miles, das war richtig schrecklich, und ich werde niemals aufhören, mich dafür zu verfluchen. Er war doch mein Prinz … mein kleiner Prinz.« Die nächsten Sätze gingen in heftigen Schluchzern unter. »… eigentlich ist er total glücklich und zufrieden«, war das Einzige, was ich wieder verstehen konnte.
    Ich brauchte kein Psychiater zu sein, um zu erkennen, dass Ruby sich in einem äußerst beunruhigenden Zustand befand.
    »Ist Cyril heute schon bei dir gewesen?«, fragte ich.
    »Was?« Sie hielt einen Moment mit Weinen inne. »Wieso?«
    »War er?«
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Irgendwann heute Vormittag.«
    »Hat er gesagt, ob er noch mal vorbeikommt?«
    »Heute?« Ruby stöhnte leise. »Vergiss es, Elodie, der Letzte, den ich heute noch sehen will, ist Cyril.«
    »Aber er …« Verdammt, wie sollte ich ihr bloß sagen, dass sie ihn unbedingt möglichst bald noch einmal treffen musste, ohne sie mit der Nase darauf zu stoßen, wie er seine Fähigkeiten für sie einsetzte? »Es geht dir doch gut, wenn er bei dir ist … oder?«, fragte ich dann einfach frei heraus.
    »Keine Ahnung, Elodie«, jaulte Ruby. »Und ehrlich gesagt, ist mir das auch ziemlich egal. Ashton ist tot. Man steckt ihn in einen Sarg und verbuddelt ihn in der Erde. Ich würde am liebsten mit in sein Grab springen, verstehst du das? Danach braucht sich hier niemand mehr das Maul zu zerreißen, weil ich dann nämlich meine gerechte Strafe bekommen habe. Und ich hätte keine Schmerzen mehr … Elodie, es tut so furchtbar weh«, stammelte sie, »du kannst dir gar nicht vorstellen, wie weh das tut. Es ist, als würde einem ein Loch ins Herz gerissen. Ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll. Ich will seinen Sarg nicht sehen … ich will nicht, dass die Leute mich alle anstarren … und ich will auch nicht mehr leben, Elodie … ich will nicht mehr leben.«
    »Ruby«, sagte ich leise, aber umso eindringlicher. »Ich komme jetzt sofort zu dir. Hörst du, ich …«
    »Nein!«, fuhr sie dazwischen. »Das will ich nicht. Ich will …«
    »Keine Chance, Ruby.« Ich blieb hart. »Ich lege jetzt auf und fahre los. In ein paar Minuten bin ich bei dir.«

    Nachdem Tante Grace mir den Weg erklärt hatte, holte ich das Fahrrad aus dem Schuppen und sauste los. Wie ich erwartet hatte, kam Ruby mir bereits auf halbem Weg entgegen. Keine Ahnung, warum sie nicht wollte, dass ich ihre Eltern kennenlernte, und im Grunde hatte ich eh längst beschlossen, es hinzunehmen. Ruby war diejenige, die mir am Herzen lag. Nie und nimmer würde ich sie in ihrem Kummer allein lassen.
    »Du kannst heute Nacht bei mir schlafen!«, brüllte ich ihr schon von Weitem zu.
    Ruby nickte stumm.
    Ihre Augen waren rot geweint und ihr Gesicht sah schrecklich verquollen aus. Der Anblick schnitt mir fast das Herz entzwei.
    »Fahr vor«, rief ich, als wir auf gleicher Höhe waren.
    Ich bremste scharf, machte eine Kehrtwende und trat kräftig in die Pedale, um sie schnellstmöglich wieder einzuholen. Befriedigt stellte ich fest, dass sie einen prall gefüllten Rucksack auf ihren Gepäckträger geklemmt hatte.
    »Du kannst bei mir bleiben, solange du willst«, sagte ich. »Meine Großtante hat bestimmt nichts dagegen.«
    Wieder nickte Ruby nur und strampelte schnurstracks weiter. Erst als wir die Kieseinfahrt von Gracies High erreichten, drosselte sie das Tempo und kippte dann ganz plötzlich mitsamt ihrem Fahrrad um.
    »Ruby!«, schrie ich auf, hörte noch, wie mein eigenes Rad eben falls scheppernd zu Boden fiel, dann war ich bereits bei ihr, hob sie auf meine Arme und trug sie mit einer Leichtigkeit zum Wohn haus hinüber, als wöge sie nicht viel mehr als eine Katze.
    Tante Grace hatte den Lärm offenbar mitbekommen, denn sie eilte mir mit erschrockener Miene entgegen.
    »Ist sie verletzt?«, fragte sie, während sie ihren Handrücken ge gen Rubys Wange legte und anschließend nach ihrem Puls tastete.
    »Äußerlich nicht, soweit ich sehen konnte«, gab ich zurück. »Ashton wird morgen beerdigt.«
    Tante Grace nickte. »Eure Fahrräder?«, wollte sie wissen.
    »Liegen noch in der Einfahrt.«
    Sie tätschelte mir den Oberarm. »Ich kümmere mich drum, bring du Ruby nur hinein. Vielleicht solltest du den Notarzt ru fen.«
    »Ich glaube, das wird nicht

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