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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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farbene Jacke, die ihr bis zur Taille reichte und deren Ärmel un terhalb der Ellenbogen in einem hübschen Volant endeten. Ein schmaler violetter Lackgürtel und flache Schuhe in demselben Ton krönten das ungewöhnliche Outfit. Mit ihrer zarten sommer sprossigen Haut und den honigblonden Haaren sah Ruby darin einfach hinreißend aus.
    »Wow!«, sagte Cyril und presste sich umgehend die Fingerknö chel auf die Lippen.
    »Aber wieso denn?«, rief ich. »Du hast doch recht. Es ist wow! Es ist sogar absolut oberwow!«
    Ich machte meiner Begeisterung Luft, indem ich vom Sofa aufsprang und Ruby einen Kuss auf die Wange drückte.
    »Ihr findet also nicht, dass es … ein wenig unpassend ist?«, frag te sie beinahe schüchtern.
    »Oh, es ist sogar total unpassend«, erwiderte ich. »Im konventi onellen Sinne. Ich dagegen finde es toll und außerdem vollkom men einleuchtend, dass du auf Ashtons letzter Party besonders hübsch aussehen willst.«
    Ruby nickte. »Für ihn«, sagte sie leise. »Nur für ihn mache ich das. Es ist sein Lieblingskleid … er hat es für mich ausgesucht«, stammelte sie. »Aber ich habe es noch nie getragen, weil es einfach nicht den richtigen Anlass dafür gab.«
    »Ich bin sicher, Ashton freut sich …«, begann Cyril, »… wie sagt ihr … einen Knopf … in den Bauch?«
    Ich grinste und korrigierte: »Ein Loch«, und Ruby ergänzte: »Den Knopf freut man sich ins Ohr.« Dann fing sie an zu weinen.
    Cyril war schneller bei ihr, als ich reagieren konnte.
    »Schsch«, wisperte er, während er ihr seine Hand auf die Schul ter legte. »Deine Augen haben eben noch so wunderbar gestrahlt. Ein schöneres Geschenk kannst du Ashton gar nicht machen.«
    Ruby holte stockend Luft, wischte sich hastig die Tränen fort und lächelte mich an. »Besser?«
    »Viel besser«, sagte Cyril. »Und nun sollten wir allmählich los. Um diese Zeit ist es nämlich nicht gerade leicht, in St Peter Port einen Parkplatz zu bekommen.«

    Der Friedhof befand sich nicht weit vom Hafen entfernt unter halb des Victoria Towers. Anders als die parkähnliche Anlage, in der Pa begraben lag, war dieser Ort nichts weiter als eine von Büschen und Bäumen umgebene lichte grüne Wiese, aus der einfache weiße Grabsteine, teils schief und krumm, in Richtung Himmel wuchsen.
    Cyril hatte tatsächlich eine Weile suchen müssen, bis er in ei ner schmalen, abschüssigen Straße eine Lücke für seinen Smart fand, und deshalb waren wir am Ende nun doch ein paar Minu ten zu spät.
    Mam und Tante Grace hatten sich ein Taxi genommen und am Eingangstor auf uns gewartet, sodass wir zusammen zu Ashtons Grabstätte gehen konnten.
    Die Zeremonie hatte bereits begonnen, und ich war überrascht, wie viele Leute sich hier versammelt hatten, um von Ashton Abschied zu nehmen.
    Alle waren dunkel gekleidet, die Männer trugen schwarze An züge und dazu passende Fliegen oder Krawatten. Ihre Hälse steck ten in steifen weißen Hemdkragen, und so gaben sie vor, Haltung zu bewahren, die die meisten von ihnen vermutlich nicht mal vor täuschen mussten.
    Die Frauen an ihrer Seite trugen Kostüme in gedeckten Farben, manche hatten sich kleine schwarze Hüte ins aufgesteckte Haar gedrückt, andere dunkle Tücher um Kopf und Hals geschlungen. Auf den ersten Blick konnte ich niemanden Bekanntes unter ih nen entdecken.
    Ruby, die Cyril und ich in unsere Mitte genommen hatten, blieb abseits stehen.
    »Meine Eltern sind nicht gekommen«, hauchte sie tonlos. Ihre Stimme zitterte und ihre Schultern fingen an zu beben. Cyril schob ihr behutsam seine Hand in den Nacken und Ruby seufz te leise auf. »Aber alle anderen sind da. Sogar Ashtons Vater hat seine Ankündigung wahr gemacht«, fuhr sie in erstaunlich festem Tonfall fort. »Schaut nur, wie er dasteht, dieser scheinheilige Kerl!«
    Ruby musste nicht auf ihn zeigen, ich hatte Raymond Clifford auch so erkannt. Die Ähnlichkeit mit seinem Sohn war in der Tat frappierend: die gleiche Größe, das gleiche dunkelbraune Haar, die gleichen braunen Teddybäraugen. Kein Wunder, dass er vor Ashton geflüchtet war! Nicht, dass ich das gutheißen oder in ir gendeiner Weise entschuldigen konnte, aber nachvollziehbar war es irgendwie schon. Mr Clifford wollte wohl nicht tagtäglich mit der minderwertigen Ausgabe seiner selbst konfrontiert werden.
    Mein Blick fiel auf Ruby, die mit leicht geneigter Kopfhaltung dem Lied lauschte, welches jemand, der von den vielen stehen den Trauergästen verdeckt wurde, auf einer Gitarre spielte.

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