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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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war mir nicht sicher, ihn richtig verstanden zu haben. »Soll das heißen, sie erinnert sich freiwillig nicht?«
    Cyril schüttelte den Kopf. »Javen hat dafür gesorgt.«
    Ich blieb stehen und starrte ihn an.
    »Na klar«, sagte ich dann, und die Wut, die aus meinem Becken aufstieg, entlud sich in Form von Sarkasmus. »Ein Wunder, dass ich nicht von selbst darauf gekommen bin. Denn darin ist er ja ganz groß, unser Vater, nicht wahr?«
    »Es ist ihm nicht leichtgefallen.«
    »Ach, tatsächlich?«, stieß ich hervor. Nicht nur mein Becken, mein ganzer Körper glühte mittlerweile vor Zorn. »Und das mit meiner Mutter ist ihm wohl auch nicht leichtgefallen, he? Ebenso wie es ihm natürlich mächtig etwas ausgemacht hat, mich dazu zu bewegen, mich von Gordy zu trennen und mir damit das Herz aus der Seele zu reißen.«
    Cyril schluckte schwer. »Du wirst ihm nie verzeihen, hab ich recht?«
    »Allerdings«, fauchte ich.
    Cyril nickte, und nun war er es, der unruhig auf und ab zu laufen begann.
    »Cecily Windom hat ihre Familie verloren«, sagte er schließlich. »Bei ihnen war es kein Treibnetz, sondern eine dieser schreck lichen Gassuchkanonen. Ihr Mann Willis geriet mit ihrem ge meinsamen Sohn Cody in unmittelbare Nähe, als sie gezündet wurde. Cody war sofort tot, Willis verlor sein Gehör und die Ori entierung und wurde kurze Zeit später von einem Schiff gerammt. Cecily sah mit an, wie er verblutete und schließlich von einem Riesenhai gefressen wurde.«
    »Oh, mein Gott«, wisperte ich.
    Die Frage nach Familiensinn und Emotionen, die mir anfangs noch auf der Zunge gelegen hatte, stellte sich mir nun nicht mehr. Hainixe mochten Einzelgänger sein und allenfalls in lockeren Ver bünden leben, das bedeutete aber nicht, dass sie keine Gefühle hatten und psychisch unverletzbar waren. Sie konnten sehr wohl lieben, Cyril selbst war schließlich der lebende Beweis dafür. Mir schwante, dass wahrscheinlich viele von ihnen furchtbare Dinge erlebt hatten. Aber nicht jeder schien sein Schicksal ähnlich gut verkraftet zu haben wie Jane oder Cyril.
    »Cecily wurde verrückt darüber«, erzählte er weiter. »Sie begann, die Menschen zu hassen, wollte aber auch nicht ins Meer zurück. Jane hat damals wirklich alles versucht. Sie wollte Cecily helfen, das Trauma zu überwinden, hat mir ihr geredet und sie mit an den Strand genommen, aber sobald Sillys Haut mit Wasser in Berüh rung kam, fing sie an zu schreien und um sich zu schlagen. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als sie alles vergessen zu lassen. Sie war eine Gefahr für sich selbst, für uns und für die Menschen.«
    »Dann ist es also eure gemeinsame Entscheidung gewesen?«
    »Ja«, sagte Cyril. »Und weil Javen dieses Talent als Einziger sicher beherrscht, hat er sich angeboten, es zu tun. Die meisten von uns hatten zu große Skrupel, Cecily etwas derartig Drastisches anzutun. Zwar waren wir alle davon überzeugt, dass es keinen anderen Ausweg gab, dennoch konnte keiner von uns die Folgen absehen, und die sind ja nicht unerheblich, wie wir inzwischen wissen.«
    »Cecily sieht Unheil voraus.«
    »Zumindest erahnt sie es«, sagte Cyril. »Und sie vermischt es sowohl mit den alten Legenden als auch mit ihrem persönlichen Trauma.«
    »Also hat sie nicht wirklich vergessen?«
    Cyril seufzte leise. »Offenbar nicht. Sie ist so etwas wie eine Gefangene in sich selbst. Niemand von uns weiß, ob sie jemals geheilt werden kann.«
    »In dieser Nervenklinik ist sie jedenfalls nicht gut aufgehoben«, erwiderte ich.
    »Silly ist nirgends gut aufgehoben. Ein Teil ihrer Seele sehnt sich ins Meer zurück, der andere lehnt sich mit aller Macht dage gen auf.«
    »Javen hat einen Fehler gemacht«, sagte ich hart. »Und nicht nur diesen.«
    Cyril nickte beklommen. »Niemand von uns ist unfehlbar und kaum einer so mutig wie er.« Er trat vor mich hin und nahm mich bei den Schultern. »Verstehst du, Elodie? Das Meer stellt uns Ta lente zur Verfügung. Wenn wir sie aber nicht mit ganzem Her zen gebrauchen, uns womöglich nicht sicher sind, ob ihr Einsatz rechtmäßig ist, besteht die Gefahr, dass sie ihre volle Wirkung gar nicht entfalten können.«
    Frederik!, schoss es mir durch den Kopf. Genauso musste es mir auch bei ihm ergangen sein. Ich hatte ihn nicht getötet, von daher konnte ich mein Talent auch nicht verloren haben. Es hatte sich wegen meiner Gewissensbisse und aus lauter Angst, dass es vielleicht nicht mehr klappen könnte, bloß abgeschwächt.
    So etwas durfte mir nicht noch

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