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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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einfach in Frieden lassen?«
    Ich musste einige Male tief durchatmen, bis ich mich zumin dest so weit wieder im Griff hatte, dass ich dieses unsägliche Inter view zu Ende verfolgen konnte.
    »Entschuldigen Sie, bitte«, sagte der Moderator gerade, »aber ein solches Mischwesen, wie Sie es gerade beschrieben haben …«
    »Nicht ich, sondern Señor Marques«, betonte Javen Spinx mit gewichtiger Geste.
    »Wie auch immer«, erwiderte der Moderator, »Nixen und Meer jungfrauen sind uns bisher nur aus Märchen und Legenden be kannt. Sie sind Auswüchse unserer Fantasie.« Die Steifheit fiel von ihm ab und ein fast schon spöttisches Lächeln umspielte sei ne Mundwinkel. »Wie sollte ein solches Geschöpf …?«
    »Also gut«, fiel Javen Spinx ihm seufzend ins Wort. »Da Sie mir offensichtlich keinen Glauben schenken wollen und ich da von ausgehen muss, dass niemand meinen Hinweisen nachgehen wird, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Öffentlichkeit hier und jetzt darüber zu informieren, dass inzwischen auch auf den Kanalinseln ein Meermensch gesichtet wurde. Er ist männlich, blond und äußerst attraktiv. Und das Besondere an ihm: Er wirft keinen Schatten.«
    Zuerst blieb mir die Luft weg, im nächsten Moment fühlte es sich an, als jagte literweise Crushed Ice durch meine Adern, und dann wurde mir zugleich schwindelig und speiübel, und deshalb nahm ich den weiteren Verlauf des Interviews auch nur noch wie durch eine dicke Nebelwand wahr.
    »Vier junge Mädchen, darunter Moira Lehmann, die vor Kur zem bei einem angeblichen Bootsunfall ums Leben kam, haben seinen Delfinschwanz gesehen. Eines der Mädchen hat er geküsst. Die unglückliche kleine Aimee Ledoux ist seitdem geradezu beses sen von ihm. Bitte verzeihen Sie, wenn ich es so drastisch ausdrü cke, aber im Hinblick auf die Arterhaltung ist sie damit für uns Menschen wertlos geworden.«
    Im Fernsehstudio trat Stille ein. Es war eine peinliche, aber auch eine unheilvolle Stille, in der sich jeder über die unausge sprochenen Konsequenzen bewusst zu werden schien.
    Wie hypnotisiert hielt ich den Blick in Javens Augen gerichtet, das eine in einem warmen Grün, das andere eisig blau schillernd, und begriff einfach nicht, wie er das tun konnte.
    Er musste einer der Haie gewesen sein, die Gordian und mir bei unserem Kampf mit Kyan, Liam, Niklas und Pine zu Hilfe gekommen waren. Er musste gesehen haben, wie Gordy Aimee küsste, und er wusste auch, warum er es getan hatte, nämlich zu unser aller Schutz.
    »Warum?«, wisperte ich. »Er hat doch niemandem etwas getan. Im Gegenteil, er hat versucht, Kyan …« Ich brach ab.
    Gordy war am Leben.
    Dieser Gedanke durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag .
    Gordy musste noch am Leben sein .
    Javen hatte ihn gesehen. Es gab keine andere Erklärung: Jave n Spinx musste Gordian irgendwo hier auf den Inseln entdeckt haben!

Als Erstes schaltete ich den Fernseher aus. Ich konnte Javen Spinx’ Anblick einfach nicht mehr ertragen. Ich brauchte Ruhe, musste nachdenken, überlegen, was ich nun am besten tat.
    Vor einigen Wochen hätte ich mich jetzt wahrscheinlich ins Meer gestürzt, in der Hoffnung, dass Gordian schon auftauchen und mich retten würde, sofern ich in Gefahr geriet. Doch diese Zeit war längst vorbei. Die Dinge hatten sich geändert. Ich hatte mich verändert.
    Die Sehnsucht nach Gordian und die Liebe zu ihm brannte noch immer in meiner Seele, und die Vorstellung, dass er auf Guernsey war und sich vielleicht sogar in diesem Augenblick un terhalb des Cottages zwischen den Klippen der Perelle Bay auf hielt, brachte mein Herz zum Rasen. Im Gegensatz zu früher rann te ich aber nicht kopflos hinunter, um alles nach ihm abzusuchen. Stattdessen bemühte ich mich, meine Sinne beisammenzuhalten, und zwang mich, erst einmal die Situation zu analysieren.
    Heute war Dienstag, der 19. Juni. Neumond.
    Kyan steckte in seiner menschlichen Gestalt. Er war stark und schnell, konnte unter Wasser atmen, aber die Region um die Ka nalinseln nicht verlassen, und deshalb würde er auch nicht in der Lage sein, andere Delfinnixe an Land zu ziehen.
    Die größte Gefahr ging in dieser Nacht also von Zak aus. Und das wussten wahrscheinlich auch die Hainixe.
    Während ich mich für den Tag zurechtmachte, spielte ich mit dem Gedanken, Jane aufzusuchen oder zu Ruby zu radeln und dort auf Cyril zu warten. Ich hatte sie nicht gefragt, ob er noch immer zu ihr kam, weil ich sie nicht in Bedrängnis bringen wollte. Denn dass er mich im Stich

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