Meerestosen (German Edition)
wandten sich sofort zu mir um und ich nick te ihnen aufmunternd zu. Schlagt eure Flossen von unten nach oben, und sagt den anderen, dass sie es ebenfalls tun sollen.
Sie zögerten nicht eine Sekunde, verharrten nur einen Moment bewegungslos im heftig schwankenden Wasser, dann begannen sie zu tanzen. Mit kräftigen Stößen schlugen sie ihre breiten Flos sen entgegen ihrem gewohnten Rhythmus von unten nach oben und drehten sie in der Abwärtsbewegung in die Senkrechte, um den Widerstand so gering wie möglich zu halten.
Es war ein unglaublicher, geradezu magischer Anblick und tat sächlich schien das Meer sich ein wenig zu beruhigen.
Sehr gute Idee, Elodie , rief Gordian mir zu. Aber leider reicht das bei Weitem nicht aus. Es sind zu wenige Delfine, die Wale haben viel mehr Kraft.
Was ist mit deinem Leittier?, fragte ich. Hast du es gefunden?
Nein, keins der Tiere scheint mich zu akzeptieren, kam es gehetzt von ihm zurück. Im Gegenteil, sie behandeln mich wie einen Artfremden.
Dann sei einer von ihnen, erwiderte ich. Erinnere dich an das, was Jane in dir gesehen hat, als sie dich das erste Mal traf. Sei ein Wal, Gordy! Bitte! Ich weiß, dass du das kannst. Du trägst etwas in dir, das dich mit ihnen verbindet.
Ich bekam keine Antwort. Die Wale wüteten, die Delfine tanz ten und die Nixe gruppierten sich stumm und bemerkenswert ruhig zu meinen Seiten. Idis und auch Malou konnte ich unter ihnen allerdings noch immer nicht entdecken.
Die Haie haben sie in eine Höhle unter den Klippen gedrängt, wisper te mir eine Nixe mit goldblonden Zöpfen zu.
Und ihr habt den beiden nicht geholfen? , fragte ich verwundert.
Es war richtig so, erwiderte die Nixe. Die Haie haben nur das getan, was wir hätten tun sollen. Es war ein Fehler, die Wale zu rufen. Darin sind wir uns alle sehr schnell einig gewesen. Idis hat sie nicht mehr in den Griff bekommen, und wir hatten Angst, dass die Menschen ihre Waffen auf uns richten. Wohin hätten wir denn fliehen sollen? Wir sitzen hier doch in der Falle.
Ich weiß , sagte ich. Niemand hat all das voraussehen können. Hoffen wir, dass …
Weiter kam ich nicht, denn nun drang ein süßer Gesang in mein Ohr. Zaghaft und sehr leise, aber immerhin laut genug, dass ich die Melodie sogleich erkannte. Vor langer Zeit hatte ich sie in einem meiner Träume gehört und dann später noch einmal, als ich zu Neeron hinabgetaucht war. Es war der Gesang der Wale, ein Lied, das jeder verstand und sie alle vereinte. Und es war Gor dys Kehle, durch die es seinen Weg ins Meer fand. Ich vernahm seine wundervolle Stimme, die alles auf sanfte, geradezu zärtliche Weise durchdrang, gleichgültig, ob es sich um einen Wassertrop fen oder eine Körperzelle handelte.
Selig schloss ich die Augen und überließ mich diesem Lied, das so alt war wie das Meer selbst und in dem ich die Sehnsucht meiner Seele wiedererkannte. Ich war ein Teil dieses Liedes, so wie mein Urgroßvater Patton ein Teil davon gewesen war. Er hatte diese Sehnsucht an mich weitergegeben, die Sehnsucht, alles für immer zu erhalten und auf ewig zu vereinen. Tief in mir erkannte ich, dass es in Wahrheit keine Trennung gab, dass alle Geschöp fe des Meeres, auch die Delfinnixe und die Hainixe, demselben Ton entsprangen. Und Gordian und ich, das wurde mir in diesem Moment klar, wir waren dazu bestimmt, ihnen allen genau das bewusst zu machen.
Indem wir uns erinnerten und hingaben.
Nichts mehr wollten, sondern nur noch ersehnten.
Und im Sein unsere Erfüllung fanden.
Gordys magischer Gesang durchströmte mich wie eine Welle. Seine Stimme verband sich mit meiner und gemeinsam trugen wir das Lied in die Weite des Meeres hinaus. Gordy sang, ich sang, die Wale sangen, die Nixe und die Delfine. Und aus dem Tosen wurde ein Wogen und aus dem Wogen ein Wiegen. Es hätte ewig so weitergehen können, nur zu gerne hätte ich mich dieser Melodie für immer überlassen. Doch da stieß mich plötzlich jemand von der Seite an und holte mich ziemlich unsanft ins Hier und Jetzt zurück.
Betörend schön, kleine Schwester.
Cyril! Ich riss die Augen auf und verpasste ihm einen Stupser gegen die breite Nase seiner Außenhülle.
Außer ihm hatten sich noch Jane, Bertrand, Tisha, Solange und ein paar andere Hainixe um mich geschart. Sie hielten Idis und Malou in ihrer Mitte. Offenbar hatten sie noch immer Angst, dass die beiden die Tiere von Neuem aufstacheln würden. Abso lut unbegründet, denn sowohl Malou als auch Idis standen die Tränen der Rührung in den
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