Meerestosen (German Edition)
er, ließ seine übergroße Zunge vorschnellen und leckte gierig über meine Lippen. Widerlicher heißer Atem strömte in meinen Rachen.
Ich kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an und zwang mich, ihm in die Augen zu sehen. Bastard!, spie ich ihm entgegen. Du kriegst mich nicht! Niemals wirst du mich besitzen.
Ich zwang meine Hände zwischen ihn und mich, bohrte ihm die Handschellen und meine Finger ins Fleisch und versuchte, ihn gewaltsam von mir wegzudrücken. Aber meine Kraft reichte nicht aus und schlagartig wurde mir klar: Dieser Kampf war eine rein persönliche Sache. Er unterlag nicht dem Willen des Meeres und deshalb musste ich offenbar auf seinen Schutz verzichten.
Irrtum, meine Schöne, gab Kyan dunkel zurück, während er meine Lippen umschloss und mit seiner Zunge so tief in mich eindrang, dass der Inhalt meines Magens mit aller Macht in meine Speise röhre hinaufschoss. Dich zu besitzen und euch Aussätzige zu töten, das ist meine große Aufgabe. Einzig und allein dafür hat das Meer mich an Land geschickt. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu begreifen. Doch inzwischen weiß ich, dass dies und nur dies meine Bestimmung ist. Und ich verspreche dir, ich werde sie erfüllen.
Mit dem letzten Wort riss Kyan meine Beine auseinander. Sei ne Gestalt löste sich auf und dann wurde mir plötzlich kalt. Eis kalt. So kalt, dass ich mich nicht mehr rühren konnte.
Kyan stöhnte auf und mit einem Mal war eine Gestalt über mir. Ich registrierte flammend rote Haare und einen unbarmherzigen Blick aus schneeweißen Augen. – Kirby!
Hau ab!, zischte sie. Kyans schwerer getarnter Körper rutschte von mir herunter und im nächsten Moment sah ich Kirby wild umherwirbelnd neben mir. Sie drehte sich um die eigene Achse, verlor das Gleichgewicht, rollte über die Klippen und wälzte sich hin und her. Sie ächzte, brüllte und fluchte. Und Kyan stöhnte in immer kürzeren Abständen immer heftiger.
Jetzt verschwinde endlich! Ich schaff das auch allein, rief sie mir zu, während sie weiter mit verbissenem Gesicht gegen ihren wieder unsichtbar gewordenen Feind kämpfte.
Elodie.
Es war Gordys samtene Stimme, die in meinen Körper fuhr wie ein wärmendes Licht. Unmöglich, ihr zu widerstehen.
Wie von einem Magneten angezogen, sprang ich auf, warf noch einen letzten Blick auf Kirby, die nun seitlich die Klippen hinun terrollte und schließlich mit einem lauten Klatscher ins Wasser fiel, und rannte auf Gordian zu, der noch immer vom Kegel des Suchscheinwerfers verfolgt wurde.
In dieser Sekunde ertönte in der Ferne ein Knall. Ich dachte, es wäre das Gewitter, aber dann folgte ein weiterer und ein ohrenbe täubendes Pfeifen brachte mein Trommelfell zum Vibrieren. Da kapierte ich, dass es ein Schuss gewesen sein musste, der unmittel bar neben Gordy in den Fels gejagt war.
Ohne nachzudenken, änderte ich die Richtung und raste nun auf die Befestigungsmauer unterhalb der Küstenstraße zu. Gor dian folgte mir und zusammen tauchten wir in die Dunkelheit ab.
Wird sie ihn umbringen ?, keuchte ich, während wir eine schmale, unbeleuchtete Straße entlanghasteten.
An jeder Ecke standen Gendarmeriefahrzeuge, aber Gordian und ich waren so schnell, dass sie uns offenbar nicht wahrnah men oder womöglich für im Wind wogende Sträucher hielten.
Das muss sie gar nicht, erwiderte Gordy. Kyan wird sowieso sterben.
Wieso?, fragte ich erstaunt. Er ist doch gerade erst wieder an Land gekommen. Wir können heilfroh sein, dass niemand ihm gefolgt ist.
Und nur hoffen, dass Idis und Malou sich besonnen haben, die Nixe mit Worten überzeugen konnten und niemanden töten mussten, dachte ich für mich. Die Ungewissheit darüber, was sich in den vergangenen beiden Stunden im Meer abgespielt haben mochte, machte mich zunehmend unruhig.
Kyan ist in der letzten Halbmondnacht gar nicht ins Meer zurückgekehrt, sagte Gordian.
Ich begriff nicht.
Es ist nicht Kirbys Haut, die du bei euch zwischen den Klippen gefunden hast, sondern seine. Auf der Suche nach dir hat er sie dort verloren.
Ich blieb unvermittelt stehen und Gordian stoppte ebenfalls. Wir befanden uns auf einer Anhöhe, von der aus wir sowohl auf die Perelle Bay als auch auf die sehr viel weitläufigere Rocquaine Bay hinuntersehen konnten. Doch ich hatte nur Augen für Gor dy.
So vertraut waren mir sein Gesicht, seine Bewegungen, sein Duft und seine Stimme in meinem Kopf. Und gleichzeitig kam er mir wie ein Fremder vor. Der Ausdruck in seinen Augen, die Art, wie er mich
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