Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
Vom Netzwerk:
endlich meine Ruhe. Stille. Dunkelheit.
    Ich spürte, wie meine Augen zufielen und ich mich langsam in meine Höhle zurückzog. Hier war es friedlich und warm. Und hier war auch Gordy. Das Türkis seiner Augen und sein liebevol ler Blick, der herrliche Duft seiner Haut, seine dunkle, samtene Stimme, die jede einzelne meiner Zellen durchdrang, unsere Ge danken, die im Einklang miteinander schwangen, und sein Kör per, der sich wie eine sanfte Welle an meinen schmiegte.
    Auf dieser kleinen Insel Bugio waren wir uns so nah gewesen, wie man sich näher nicht kommen konnte. Ich hatte Gordian Einlass in meine Höhle gewährt, ihn an meine geheimste Stelle vordringen lassen und meine Seele war mit der seinen verschmol zen. Auch wenn ich ihn nie wiedersah, selbst wenn ich ihn für immer verlor, so wie Ruby Ashton für immer verloren hatte, war dies ein Ort, an dem ich ihm immer nah sein würde – näher als jedem anderen Wesen auf dieser Welt.
    Und plötzlich war ich froh, dass Cyril fortgegangen war. Er ge hörte einfach nicht hierher.

    Es war Vollmond, doch der Himmel über dem Meer war tiefschwarz. Nur das diffuse Leuchten über dem Horizont ließ den Vollmond erahnen. Dunkles Grollen rollte aus der Ferne auf mich zu. Ein gleißend heller Blitz durchschnitt die stickige Atmosphäre und entlud sich im aufgewühlten Meer. Mächtige Wellen hatten sich aufgetürmt, rauschten laut dröhnend auf die Klippen zu und warfen haushohe Gischtfontänen in den Himmel.
    Trotz der Dunkelheit konnte ich die riesige Schar von Delfinen gut erkennen, deren Silhouetten silbern aufschimmerten, sobald sie sich aus dem Wasser erhoben.
    Das Wissen um ihr ungebrochenes Vertrauen in die Menschen und den bedingungslosen Gehorsam, den sie einigen Nixen ent gegenbrachten, rührte mich zutiefst. Und umso schwerer wogen meine Verzweiflung und meine Wut. Die Ahnungslosigkeit die ser wundervollen Tiere gegenüber der Gefahr, die ihnen drohte, schnitt mir fast das Herz entzwei.
    Ich allein wusste, was ihnen bevorstand und welche Folgen die geplante gigantische Vernichtung von Leben und Lebensraum nach sich zog – vor allem aber war ich die Einzige, die ihnen hel fen und das Schlimmste vielleicht noch verhindern konnte.
    »Neiiin, Elodie! Tu das nicht!«
    Es war Gordys entsetzte Stimme, die der Wind zu mir herüber trug.
    Ich schloss die Augen und hielt inne.
    Noch immer brachte sein samtenes Timbre sämtliche Fasern meines Körpers zum Schwingen. Ich erinnerte mich an jeden ge meinsamen Augenblick, an jedes Wort und jede Berührung von ihm, als wäre es gestern gewesen.
    Mein Herzschlag vibrierte und die Sehnsucht nach ihm brachte mich fast um.
    Doch nach allem, was inzwischen passiert war, hatte Gordian mir nichts mehr zu sagen. Ich hörte nicht auf ihn.
    Keuchend riss ich die Augen auf. Ich fühlte weichen Stoff unter mir. Ein kühler Lufthauch strich über meinen verschwitzen Nacken und ließ mich frösteln.
    Dann war ich wach. Hellwach.
    Ich war nicht draußen und es hatte auch kein Gewitter gege ben. Ich hatte das alles nur geträumt.
    Langsam setzte ich mich auf. Mein Blick fiel sogleich zum Fens ter und aufs Meer hinaus.
    Spiegelblank lag es da. Graublau in der fahlen Dämmerung, der Himmel bedeckt, aber nicht mehr dunkel. Die kühle Luft war durch den offenen Fensterspalt ins Zimmer gekrochen, of fenbar hatte sie mich aus dem Traum geholt. Komisch, dass ich auf einmal so empfindlich war! Seit meiner Verwandlung vor fünf Wochen hatte ich Kälte kaum noch als unangenehm empfunden. Aber vielleicht war ich tatsächlich über einen zu langen Zeitraum im Wasser gewesen und nun forderte das Menschenmädchen in mir sein Recht.
    Ich rutschte bis zum Fußende durch, zog das Schiebefenster zu und sah mich im Zimmer um.
    Den Kühlschrank hatte Tante Grace ausgestellt und es lag auch kein Obst in der Schale. Nur der Teller mit den Zuckerwaffeln stand noch auf meinem Nachttisch.
    Ich setzte mich auf die Bettkante und fing an zu essen, ver schlang eine Waffel nach der anderen und leckte sogar den pud rig feinen Zucker vom Teller ab. Danach fühlte sich mein Magen an, als läge ein Ziegelstein darin, aber wenigstens hatte ich keinen Hunger mehr.
    Ich stellte den Teller zurück, stand auf und öffnete den Kleiderschrank. Gähnende Leere starrte mir entgegen. Tante Grace hatte recht. Ich hatte tatsächlich überhaupt keine Klamotten hier. Nur ihr geblümter Morgenmantel lag auf dem Bett. Ich war unbekleidet und konnte mich nicht daran erinnern, wann ich mich

Weitere Kostenlose Bücher