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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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der Boden auf, Krebse flüchteten sich in Steinspalten und ein Makre lenschwarm stob erschrocken auseinander.
    Ich schwamm einfach drauflos, Richtung und Ziel kümmer ten mich nicht und schon bald hatte ich die riffartigen Ausläufer Guernseys hinter mir gelassen. Über mir wurde das Meer allmäh lich heller und klarer, aber ich wollte kein Licht, also tauchte ich tief hinunter und hielt mich möglichst dicht über dem Grund.
    Nur beiläufig registrierte ich die ungewöhnlich großen Schollen, deren trapezförmige Körperkonturen sich im Sand abzeich neten. Winzige Garnelen trieben über mich hinweg, und den Dornhai, der sich mir neugierig von der Seite näherte, scheuchte ich mit einer kurzen Bewegung davon. Er versuchte noch, mir zu folgen, aber ich hängte ihn mühelos ab.
    Begleitet vom Brummen der Schiffsmotoren und den dunk len Schatten ihrer Rümpfe, die langsam über den Meeresboden zogen, erreichte ich nach einer Weile wieder flacheres Gewässer, und mit einem Mal tauchte wie aus dem Nichts ein Fangnetz vor mir auf, das von einem riesigen Kutter gezogen wurde.
    Unzählige Makrelen, Heringe, Sprotten und andere Fische hatten sich bereits darin verfangen. Mir steckte das gestrige Erlebnis mit dem sterbenden Delfin noch immer in den Knochen, von daher verspürte ich wenig Lust, mir das noch einmal anzusehen. Also verlangsamte ich mein Tempo und wollte gerade die Rich tung ändern, als mir etwas ins Auge fiel, das nicht ins Bild passte.
    Etwas Großes hing an dem Netz. Nicht silbern, sondern bleich.
    Es hatte Arme und Beine und kurze dunkle Locken.
    Im ersten Moment brachte das Entsetzen meinen Herzschlag zum Stocken, im nächsten gab die Hoffnung, das Mädchen viel leicht noch retten zu können, meinen Schwanzmuskeln den Im puls weiterzuschwimmen. So schnell ich konnte, stob ich auf das Netz zu, doch noch ehe ich den nackten weißen Leib berührte, wusste ich, dass das Mädchen tot war. Aus gebrochenen Augen blickte es durch mich hindurch ins Leere.
    Moira!, schoss es mir durch den Kopf.
    Ihre dünnen Arme und Beine hatten sich in den Maschen ver fangen und nun hing sie wie eine leblose Puppe außen am Netz. Die Fische, die hinter ihr herumwuselten, zupften gierig an ihrer Haut, und ich hatte Mühe, dem Ekelgefühl, das in mir hochstieg, nicht nachzugeben.
    Wenn dieses Mädchen tatsächlich Moira war, dann hatten die Chamäleon-Nixe, die gestern Abend das Boot zum Kentern brach ten, sie bis hierher in den offenen Ärmelkanal hinausgezogen und an diesem Fangnetz befestigt. Keine Ahnung, wie sie das angestellt hatten, auf jeden Fall schienen sie nicht gerade zimperlich mit ihr umgegangen zu sein.
    Mein Herz klopfte wie wild, als ich das totenstarre Mädchen zu befreien versuchte. Ihre Finger waren seltsam verkrümmt und ihr rechter Ellenbogen stach unnatürlich aus ihrem Unterarm hervor. Wahrscheinlich hatten die Nixe nur dieses eine Opfer ge sucht, um es gezielt zur Schau zu stellen. Ob sie die Menschen da mit auf ihr Schicksal aufmerksam machen, sie warnen oder ihnen gar drohen wollten, spielte keine Rolle. Es war so oder so klar, was passieren würde, wenn die Fischer das Netz an Deck zogen und die Leiche entdeckten: Die Gerüchte um die Meerbestie wür den wieder aufflammen und die Seepolizei von Neuem Jagd auf sie machen. Und deshalb durfte Moira auf keinen Fall gefunden werden. Zumindest nicht hier und schon gar nicht unbekleidet.
    Ich würde sie in die Cobo Bay zurückschleppen und auf dem Weg dorthin sowohl die Riffe als auch das Treibgut auf der Was seroberfläche nach ihren Klamotten absuchen.
    Hektisch zerrte ich an Moiras steifen Beinen, ohne darauf zu achten, ob ich ihr dabei womöglich noch mehr Verletzungen zu fügte, und endlich lösten sich ihre Füße aus den Maschen. Bei ihren Händen würde der Einsatz von Körperkraft allein jedoch nicht genügen. Moiras rechte Hand war um neunzig Grad aus dem Gelenk gedreht und alle fünf Finger hatten sich mit dem Netz verwoben.
    Fluchend machte ich mich daran, jedes einzelne Glied Zenti meter für Zentimeter aus dem Schnurwirrwarr zu befreien, und ich hatte es auch schon fast geschafft, als urplötzlich ein beißen der Schmerz in meine Schwanzflosse fuhr und bis in meinen Un terleib hinaufschoss.
    Ein gellender Schrei blähte meine Kehle. Panisch flog mein Blick an meinem Körper hinab und registrierte das Blut, das aus einer klaffenden Wunde oberhalb der Endflosse pulsierte und dunkelrote Schlieren ins Meerwasser malte.
    Weit und breit war niemand zu

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