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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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ausgezogen hatte. Verdammt! Hatte ich Cyril etwa nackt gegenübergesessen? Ich schüttelte den Kopf. Was für ein Einfall! Darauf hätte er mich ja wohl aufmerksam gemacht! – Oder etwa nicht?
    Wie sehr ich mir auch das Gehirn zermarterte, ich durchschau te ihn einfach nicht. Wenn es möglich war, dass er meine Gefühle beeinflusste, wie konnte ich mir dann sicher sein, dass er nicht auch einen Teil meiner Erinnerungen gelöscht hatte? Und dann wunderte er sich, dass ich ihm nicht vorbehaltlos vertraute!
    Ruby hatte mich schon damals vor ihm gewarnt. Inzwischen verstand ich sie viel besser.
    Ach, Ruby!
    Ruby. Ruby. Ruby.
    Wie mochte es ihr wohl gerade gehen? Lag sie im künstlich dumpfen Schlaf, den ein Psychopharmakon ihr aufzwang? Träum te sie von Ashton? Ich konnte nur hoffen, dass es etwas Schöneres war als dieses wirre Zeug, das mich aufgeschreckt hatte.
    Was war passiert, Gordy, dass ich nicht auf dich hören wollte? Was?
    »Bloß nicht darüber nachdenken, Elodie«, murmelte ich.
    Es war nur ein Traum, ein Traum, ein Traum …
    Leise summend tänzelte ich zum Bett, zog die Haihaut aus der Tasche des Morgenmantels und hüllte mich darin ein. Im Vor beigehen schloss ich die Schranktür und überlegte, was ich tun sollte. Bestimmt war es noch zu früh, um nach unten zu gehen. Also tappte ich weiter im Zimmer umher und landete schließlich vor der Hi-Fi-Anlage. Ohne Absicht öffnete ich das DVD-Fach und stellte überrascht fest, dass es nicht leer war. Die hellblaue Scheibe mit den kleinen weißen Affenzeichnungen darauf von Jack Johnsons »Sing-A-Longs and Lullabies« lächelte mir daraus entgegen. Oh, Mann, es musste eine Ewigkeit her sein, dass ich die das letzte Mal gehört hatte!
    Ich schloss das DVD-Fach wieder und drückte auf den Ein schaltknopf. Sanfte Gitarrenklänge und Jack Johnsons warme Stimme hüllten mich ein. Ich breitete die Arme aus und drehte mich im Kreis.
    Das war mein altes Leben gewesen. Das Leben, in dem ich nur der Mensch Elodie Saller war, chaotisch, entscheidungsunfähig und beherrscht von einer Wasserphobie. Damals brauchte ich Pa und Sina, um den Halt nicht zu verlieren. Inzwischen brauchte ich niemanden mehr.
    Niemanden außer Gordian.
    Gordy war der Ton, der meine Seele zum Klingen brachte.
    Unvorstellbar, nein, ausgeschlossen, dass ich jemals jemanden so sehr lieben könnte wie ihn.
    Doch nach allem, was inzwischen passiert war, hatte Gordian mir nichts mehr zu sagen. Ich hörte nicht auf ihn.
    Nein! Nein! Nein!
    Ich presste mir die Hände auf die Ohren und trommelte mit den Fingerkuppen gegen meine Schläfen, und als das nichts nütz te, drehte ich die Musik lauter und flüchtete mich unter die Bett decke.
    Ich hörte das Pochen an der Apartmenttür, aber ich schaffte es nicht zu antworten, denn da war Tante Grace bereits bei mir.
    »Elodie, Elodie!«, rief sie. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Sie schlug die Decke zurück und ich sank in ihre Arme. Süßer Schlafgeruch kroch in meine Nase und zerzauste graue Locken kitzelten mich an der Wange.
    »Alles okay?«
    »Nein«, krächzte ich. »Nichts ist okay. Gar nichts.«
    »Hm, das dachte ich mir, Kind, das dachte ich mir«, murmelte sie, während sie mich sanft hin und her wiegte.
    »Hast du etwas dagegen, wenn ich die Musik einen Tick leiser stelle?«, fragte sie nach einer Weile.
    Nein. Aber ich wollte auch nicht, dass sie mich losließ. Mei ne Großtante musste sich regelrecht aus meinem Klammergriff befreien. – Von wegen, ich brauchte niemanden mehr! Wie kin disch ich doch war! Und plötzlich musste ich lachen.
    Mit weit geöffneten Armen warf ich mich rücklings auf die Ma tratze zurück und lachte wie eine Irre.
    Tante Grace stoppte die CD, ließ sich neben mich auf der Bett kante nieder und tätschelte mir den Oberschenkel.
    »Jetzt krieg dich mal wieder ein, Elodie«, sagte sie energisch. »Ich habe etwas mit dir zu besprechen.«
    Das Lachen erstarb in meiner Kehle. Ich setzte mich auf und sah ihr fest in die Augen.
    »Keine Sorge, Tante Grace«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Die Welt steht zwar gerade kopf, und ich wünschte mir weiß Gott, dass eine Menge Dinge anders oder gar nicht geschehen wären, aber es lässt sich nun mal nicht ändern. Ich werde schon damit klarkommen«, versicherte ich ihr. »Genau genommen habe ich gar keine andere Wahl.«
    Meine Großtante erwiderte meinen Blick schweigend. Schließ lich seufzte sie und nahm meine Hand, mütterlich, wie es ihre Art war, und zog sie in ihren

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