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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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vollkommen ande ren Licht betrachten. Zum ersten Mal verstand ich ihn und mehr noch: Ich musste mir eingestehen, dass ich an seiner Stelle ganz ähnlich empfunden hätte. Allerdings wäre ich niemals so weit ge gangen wie er.
    »Cyril, du hast versucht, mich in dich verliebt zu machen! … Obwohl du wusstest, dass du mein Bruder bist!«
    »Ich habe dich nicht manipuliert!«, wies er die Unterstellung sofort von sich.
    »Das kann man auch anders sehen«, erwiderte ich hart. »Mag sein, dass du dein Talent nicht eingesetzt hast, aber ansonsten hast du ja wohl nichts unversucht gelassen. Und hätte ich Gordy nicht bereits in meinen Träumen gesehen, hätte es vielleicht sogar geklappt. Aber was wäre dann gewesen, Cyril, he?«, blaffte ich. »Hättest du gesagt: Tut mir leid, dass du dich in mich verliebt hast, aber ich bin dein Bruder, und deshalb können wir leider nicht zusammen sein. Glaubst du, das hätte mir weniger wehgetan, als von Gordian enttäuscht zu werden?«
    Cyril starrte auf seine Hände, die nun mit kleinen nervösen Bewegungen über das Lenkrad strichen.
    »Ehrlich gesagt, habe ich damals nicht darüber nachgedacht«, begann er stockend. »Ich habe einfach keine Erfahrung mit diesen Dingen. Ich weiß nur, wie es sich anfühlt, wenn man …«
    Ich hatte keine Lust auf irgendwelche fadenscheinigen Ent schuldigungen und deshalb hörte ich auch gar nicht richtig zu.
    »Du hast mich geküsst, Cyril!« fuhr ich ihn an. »Richtig geküsst!«
    »Es tut mir leid.«
    »Du hast es ja nicht mal getan, um Gefühle in mir zu wecken und mich von Gordy abzubringen … Was dir sowieso nicht gelun gen wäre!«, tobte ich. »Du wolltest, dass er an mir zweifelt.«
    Natürlich war mir klar, dass es überhaupt nichts brachte, diese alten Geschichten wieder aufzuwärmen, aber ich war so wütend, dass ich nicht anders konnte. Es musste einfach heraus. »Eigent lich wollte ich ja gar nicht wirklich weg aus Lübeck. Vielleicht habe ich da bereits geahnt, was mir bevorsteht … Ach, verdammt, bis ich Gordian kennengelernt habe, habe ich doch gar nicht gewusst, dass man so fühlen kann. So absolut bedingungslos. Und da wagst du es, mich so zu küssen … Cyril, das verzeihe ich dir nie!«
    »Hast du doch schon«, sagte er leise.
    »Was?«
    Ich fuhr zu ihm herum.
    »Ich weiß, dass du es mir verziehen hast. Der Mensch in dir ist immer noch schrecklich wütend … zu Recht. Inzwischen ist mir auch klar, dass ich das niemals hätte tun dürfen. Es war eine abso lute Kurzschlusshandlung. Und bitte glaub mir, wenn man mir die Möglichkeit gäbe, irgendetwas in meinem Leben wieder rückgän gig zu machen, dann wäre es das. – Auch wenn die Hainixe in dir es mir bereits verziehen hat … und vielleicht sogar die Schwester.«
    Fassungslos starrte ich ihn an.
    »Wie schön, dass du dir da so sicher bist«, gab ich patzig zurück. »Ich bin es nämlich keinesfalls.«
    Dass meine Mutter mich siebzehn lange Jahre belogen hatte, das schlug dem Fass allerdings den Boden aus. Wie ich damit um gehen sollte, konnte ich mir im Augenblick noch überhaupt nicht vorstellen.
    Sie hat dich nicht belogen , sagte Cyril. Im Gegenteil: Sie ist vollkommen ahnungslos.
    »Wie bitte! Willst du etwa behaupten, sie hätte mit Javen Spinx geschlafen und kann sich nicht mehr daran erin…« – Oh, nein! Oh, nein! Oh, nein!
    »Ich hasse ihn«, brach es aus mir hervor. »Sag ihm das! Er soll mir bloß nie, nie wieder unter die Augen kommen.«
    »Keine Angst, das wird er nicht«, erwiderte Cyril. »Zumindest vorläufig. Er ist zurzeit auf dem europäischen Festland unterwegs. Er arbeitet dort auf politischer Ebene, redet mit einflussreichen Leuten und ist in Kontakt mit denen, die Geld und Macht haben. Aus dem, was er Jane und mir gegenüber geäußert hat, lässt sich schließen, dass es sich um eine richtig große Sache handelt.«
    »Halt die Klappe, Cyril«, brüllte ich, ließ mich in den Sitz zu rückfallen und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. »Ich will nichts, aber auch gar nichts darüber hören.«
    »Du weißt, dass du dich nicht davor verschließen kannst«, sagte Cyril und startete den Motor.
    Ja, zum Teufel, das wusste ich. Aber noch war ich nicht bereit, auch nur an Javen Spinx – an meinen genetischen Vater! – zu denken.

    Ich traf Ruby in einer überraschend guten Verfassung an. Als ich die Tür langsam öffnete und durch den Spalt lugte, hockte sie in sich versunken, aber kein bisschen verheult im Schneidersitz auf dem

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