Meerjungfrau
hohen Absätzen voran, und er folgte ihren knallenden Schritten durch einen langen Flur. Die Küche war so weià wie die übrigen Verlagsräume, aber die Kaffeebecher, die sie aus dem Schrank nahm, waren pink.
»Latte macchiato, Cappuccino, Espresso?« Gaby deutete auf einen Kaffeeautomat gigantischen AusmaÃes. Er musste einen Moment überlegen.
»Latte macchiato, bitte.«
»Wird gemacht.« Sie griff nach einem Becher und drückte auf die Knöpfe. Als der Apparat seine Arbeit schnaufend erledigt hatte, winkte sie ihm.
»Wir setzen uns in mein Zimmer. Hier rennen zu viele Leute rum.« Gemessen nickte sie einer jungen Frau um die dreiÃig zu, die in die Küche kam. Deren verschüchtertem Blick nach zu urteilen, hielt Gaby ihre Mitarbeiter an der kurzen Leine.
»Setz dich.« Das Zimmer, in dem Gaby arbeitete, lag direkt neben der Küche. Es war geschmackvoll, aber unpersönlich eingerichtet. Keine Fotos von der Familie, keine dekorativen Gegenstände. Nichts, was irgendeinen Hinweis auf Gabys Wesen gegeben hätte. Christian vermutete, dass sie es genau so haben wollte.
»Du warst richtig gut heute Morgen.« Strahlend lieà sie sich hinter ihrem Schreibtisch nieder.
Er nickte. Seine Nervosität konnte ihr nicht entgangen sein. Er fragte sich, ob sie Gewissensbisse plagten, weil sie ihn den Medien zum Fraà vorgeworfen hatte und er dem, was ihm jetzt bevorstand, dadurch schutzlos ausgeliefert war?
»Du bist so präsent«, lächelte sie mit ihren fast zu weiÃen Zähnen. Wahrscheinlich gebleicht, nahm er an.
Seine feuchten Hände umklammerten die Kaffeetasse.
»Wir versuchen, dich auf noch mehr TV -Sofas zu platzieren«, plapperte sie munter. »Bei Carin um halb zehn, Malou im Vierten, vielleicht auch in einer Quizsendung. Ich glaube â¦Â«
»Ich gehe nicht mehr ins Fernsehen.«
Gaby starrte ihn fassungslos an. »Entschuldige, ich muss mich verhört haben. Hast du gerade gesagt, du willst nicht mehr ins Fernsehen?«
»Richtig. Du hast doch gesehen, was heute Morgen passiert ist. Das tue ich mir nicht noch einmal an.«
» TV kurbelt den Absatz an.« Gabys Nasenflügel bebten. »Schon allein dein kleiner Auftritt heute Morgen lässt die Verkaufszahlen steigen.« Gereizt trommelte sie mit ihren langen Nägeln auf die Tischplatte.
»Mag sein, aber das spielt keine Rolle. Ich mache das nicht mehr mit.« Er meinte es so, wie er es sagte. Er wollte und konnte sich nicht mehr in der Ãffentlichkeit zeigen. Er hatte es ohnehin schon übertrieben. Eine richtige Provokation. Vielleicht lieà sich das Schicksal noch aufhalten, wenn er die Notbremse zog. Und zwar sofort.
»Wir arbeiten hier zusammen. Ohne deine Mithilfe kann ich dein Buch nicht an den Leser bringen und verkaufen. Und dazu gehört, dass du dich an der Vermarktung des Buches beteiligst«, sagte sie eisig.
In Christians Kopf drehte sich alles. Er fixierte Gabys rosa Fingernägel auf der weiÃen Tischplatte und versuchte, des immer lauter werdenden Rauschens Herr zu werden. Heftig kratzte er sich in der linken Handfläche. Es juckte unter der Haut. Wie ein unsichtbares Ekzem, das nur noch schlimmer wurde, wenn man es berührte.
»Ich mache das nicht mehr mit«, wiederholte er. Ihrem Blick hielt er nicht stand. Die leichte Nervosität, die er vor dem Treffen verspürt hatte, war in Panik übergegangen. Zwingen konnte sie ihn nicht. Oder etwa doch? Was stand eigentlich in dem Vertrag, den er unterschrieben, aber vor Freude über die bevorstehende Veröffentlichung nicht gelesen hatte?
Gabys schneidende Stimme drang durch das Rauschen. »Wir erwarten, dass du dich zur Verfügung stellst, Christian. Ich persönlich erwarte das von dir.« Ihre Verärgerung verstärkte noch das Kribbeln und Jucken. Er kratzte sich, bis es brannte. Als er seine Handfläche betrachtete, sah er die blutigen Schrammen, die er sich mit den Fingernägeln zugefügt hatte. Er hob den Blick.
»Ich muss nach Hause.«
Gaby runzelte die Stirn. »Wie geht es dir eigentlich?« Als sie das Blut in seiner Hand sah, vertiefte sich die Furche zwischen ihren Brauen. »Christian â¦Â« Sie schien nicht mehr zu wissen, was sie sagen sollte. Er hielt es nicht länger aus. Die Gedanken sirrten immer geräuschvoller durch seinen Kopf und äuÃerten Dinge, die er nicht hören wollte. Alle Fragezeichen
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