Mehr als die Summe - Star trek : The next generation ; 5
diese Veränderung nachvollziehbar erklärt. Seiner Ansicht nach sollte kein einfacher Sterblicher unter dem Zwang stehen, drei unterschiedliche Arbeitsfelder gleichzeitig zu bewältigen, vor allem, wenn es sich um eine Frau handelte, die darüber hinaus Verpflichtungen als dreifache Mutter hatte. Miranda sah darin damals jedoch eher ein Urteil über die Qualität ihrer Arbeit als einen Akt der Freundlichkeit.
Mit der Zeit war sie allerdings zu der Erkenntnis gelangt, dass Picard recht gehabt hatte. Durch die reduzierte Aufgabenlast war ein Druck von ihr abgefallen, von dem sie gar nicht gemerkt hatte, dass er da gewesen war – ein Druck, der nicht nur ihr Urteilsvermögen während der Borg-Krise beeinträchtigt, sondern auch für Spannungen mit ihrem Mann auf Cestus III gesorgt hatte. Ein paar Mal war es während ihrer Unterhaltungen über Subraumfunk zu Streit zwischen ihnen gekommen, und Miranda hatte angefangen, in ihr altes Muster zu verfallen. Sie war wieder dazu übergegangen, sich für die falschen Männer zu interessieren, in diesem Fall für Zelik Leybenzon. Zwischen ihnen war nichts vorgefallen, aber es war für sie ein erschreckend kurzer Weg gewesen, den harten und streitsüchtigen Sicherheitschef nicht ausstehen zu können, nur um ihn auf einmal seltsam anziehend zu finden und eine kokette Freundschaft mit ihm zu suchen. Diese Beziehung war im Keim erstickt worden, nachdem sie die Meuterei beendet und Picard befreit hatte, denn das hatte ihr Leybenzons Missgunst eingebracht, und im Nachhinein betrachtet war sie sehr froh darüber. Sie hatte die Dinge mit Vicenzo geklärt, und seitdem war ihr Leben in geordneten Bahnen verlaufen.
Also auch wenn Miranda nach wie vor die unmittelbare Forschungsarbeit vermisste, war sie mit ihrem Posten, wie er im Augenblick aussah, zufrieden. Als zweiter Offizier und Ops-Manager war es immer noch ihre Aufgabe, die Arbeit der wissenschaftlichen Abteilung zu überwachen und sich mit den Spezialisten hinsichtlich der Zuteilung von Sensorzeit und Laboreinrichtungen abzusprechen. Sie war also nicht gänzlich aus dem Spiel. Dabei waren das Organisieren von Personal- und Schiffsressourcen wie auch deren optimaler Einsatz, um die vielen Aufgaben zu bewältigen, die anfielen, um den reibungslosen Betrieb an Bord eines Raumschiffs der
Sovereign
-Klasse zu gewährleisten, geradezu Musterübungen im Problemlösen. Ihrem analytischen Geist kam diese Arbeit entgegen, auch wenn ein Hauch von Zwanghaftigkeit dabei durchaus hilfreich war.
Trotzdem durften die neuen Wissenschaftsoffiziere Dina Elfiki und T’Ryssa Chen die Arbeit verrichten, die Miranda stets am meisten Spaß bereitet hatte. Ein wenig Eifersucht war da durchaus verständlich. Doch sie konnte damit leben, solange sie das Gefühl hatte, dass ihre Nachfolgerinnen mindestens so talentiert und engagiert waren, wie sie selbst es gewesen war. Was Elfiki anging, hegte sie diesbezüglich keine Zweifel. Die Ägypterin mochte zart, leise und mädchenhaft in ihrer Erscheinung sein – und mit diesen großen dunklen Augen und den Wangenknochen eines Holostars unerhört gut aussehen –, doch sie war mit Leib und Seele Wissenschaftlerin und besaß darüber hinaus Abenteuergeist, sodass Miranda sich auf Anhieb prächtig mit ihr verstanden hatte. Chen dagegen war eine ganz andere Sache. Miranda hatte ehrlich versucht, ihr eine Chance zu geben, aber ihrer Ansicht nach war Chen einfach nicht für die
Enterprise
geschaffen. Captain Picard selbst hatte zugegeben, seine Zweifel zu haben, aber er wollte dem jungen Lieutenant die Möglichkeit geben, sich zu beweisen.
Drei Wochen nach dem Start wurden Chens Fähigkeiten erstmals auf die Probe gestellt, denn die
Enterprise
erreichte einen Raumbereich, der von den Mabrae beansprucht wurde. Die Mabrae waren ein schwieriges und höchst eigenbrötlerisches Volk, mit dem Picard vor mehr als zwanzig Jahren den ersten Kontakt hergestellt hatte, und die schnellste Flugroute nach NGC 6281 führte direkt durch ihr Gebiet. Es galt, die Erlaubnis zur Passage auszuhandeln, und dies so schnell wie möglich, damit die Zeit, die sie durch die Abkürzung durch das Mabrae-Territorium zu gewinnen hofften, nicht durch Verhandlungen im Vorfeld verbraucht wurde. Picard beschloss, Chen in seine Verhandlungen mit einzubeziehen, um zu schauen, welche Einsichten sie in die Kultur und die Psychologie der Mabrae würde gewinnen können. Da Picard selbst ein Experte für diese Rasse war – hatte er doch im Rahmen einer
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