Mehr als ein Sommer
Luke«, erwiderte Trevor. »Wenn er noch sehr viel länger warten muss, wird er sich womöglich in die Hose machen.«
»Danke, Mann.« Luke rannte auf das Wasser zu; die Muskeln seiner Beine wirkten wie aus Holz geschnitzt.
Als Trevor eine dritte Einladung ausschlug mit der Entschuldigung, er habe zu viel Bier intus, zog Angela die Nase kraus und lud Luke zu einem Duett auf Skiern ein. Die beiden fuhren zwanzig Minuten lang Slalom im jeweiligen Kielwasser des anderen. Als Nächste lief Nancy, dann kam Becca — das einzige Familienmitglied, das beim Wasserskifahren beide Füße benutzte. Jake kletterte auf Trevors Schoß und lehnte sich zurück, sein nasser Körper lag kühl auf Trevors Bauch. Trevor wusste nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte, hatte er doch noch nie zuvor ein Kind auf dem Schoß gehabt. Nach einem Moment der Unschlüssigkeit legte er seine Fingerspitzen auf Jakes Schultern und war verblüfft über die Zartheit seiner Haut und die Tatsache, dass der Junge daraufhin den Kopf weit zurücklehnte und ihn anstrahlte. Jakes Augen hatten die gleiche Farbe wie Bjornes.
In der Zwischenzeit waren noch zwei weitere Familien mit ihren Booten eingetroffen, und aus dem Abend wurde eine Party, bei der Essen und Trinken mit der gleichen rasenden Geschwindigkeit aufgetischt und vertilgt wurden, mit der die Boote über das Wasser flogen. Nach dem Abendessen nahm Bjorne seine Eltern mit an Bord und drehte mit ihnen eine langsame Runde auf dem See. Als Helen und Axel es sich wieder auf ihren Gartenstühlen bequem gemacht hatten, gab Bjorne seiner Schwester ein Handzeichen, worauf Angela sich zusammen mit Luke, Becca und drei ihrer Freunde am Ufer aufreihte. Das eine Boot zog die sechs Wasserskiläufer in einer Parallelformation auf den See hinaus. Sie bildeten Paare; jeweils einer der Läufer ließ seine Skier fallen, trat auf das Hinterteil der Skier seines Partners und kletterte dann auf dessen Schultern. Voller Ehrfurcht beobachtete Trevor, wie die drei Paare so nah beieinander durchs Wasser preschten, dass sie einander bei den Händen fassen konnten, um zwei Etagen von jeweils drei Körpern zu bilden. Er hielt die Luft an, als Becca von der mittleren Formation auf Lukes und Angelas Schultern kraxelte, um die Pyramide perfekt zu machen.
»Wie machen die das?«, stieß er aus.
»Übung«, erwiderte Helen.
Trevor pfiff und applaudierte mit all den anderen am Ufer, als die Pyramide eine elegante Runde über den See drehte und dann lachend versank, im seichten Wasser unweit des Strands. Trevor wollte aufspringen, nach unten rennen und sie alle umarmen, aber Jake war auf seinem Bauch eingeschlafen.
Später, als sie im Glanz des Sonnenuntergangs den Truck beluden, um wieder zur Farm zurückzufahren, reichte Angela ihm eine der Kühlboxen und meinte: »Du hättest sagen können, dass du nicht Wasserski läufst.«
»Ich wollte euch nur nicht bloßstellen«, witzelte er. »Ihr hattet da übrigens die Cheops-Pyramide nachgebaut.«
»Wie hast du es geschafft, Jake auf deinen Schoß zu kriegen?«, fragte sie und wedelte dabei mit dem Finger vor seiner Nase.
»Wir hatten uns miteinander verschworen, dich ins Wasser zu schmeißen.«
Sie wirbelte herum und gab Luke ein Handzeichen, der daraufhin mit dem Daumen auf drei seiner Freunde zeigte. Die vier Teenager umzingelten Trevor, nahmen ihm die Kühlbox aus der Hand und zerrten ihn zum See. Als er durch die Luft segelte und klatschend jenseits des Schilfs landete, betete er, das Wasser möge nur ja nicht so tief sein, dass er nicht mehr stehen könnte.
Trevor verschlief den größten Teil des nächsten Wochenendes, weil er sich von einer Verkaufsreise erholen musste, doch fingen er und Angela an, auf der Farm auszuhelfen, wann immer sie Zeit dazu hatten. Sie fuhren freitags nach der Arbeit los und Sonntagabend oder am frühen Montagmorgen wieder zurück. Jeden Abend, wenn es dunkel war und die anderen im Haus schliefen, schlich Angela sich in sein Zimmer. Eines Freitags kamen sie an und stellten fest, dass man das Einzelbett aus Angelas Zimmer herausgeholt und in Trevors Zimmer gestellt hatte. Die Betten standen da wie Ehebetten, und eine Vase mit Rudbeckien stand auf der Kommode. Am nächsten Morgen beim Frühstück schaufelte Helen eine Ladung Rührei auf ihre Teller und meinte: »Ich hoffe, ihr zwei nehmt Verhütungsmittel.«
Angela kniff ihrer Mutter in die Schulter. »Ich bin fast zweiunddreißig, Ma.«
»Bei Gott, genau das ist es ja, was mir Sorgen
Weitere Kostenlose Bücher