Mehr als ein Sommer
Lenkrad. »Verdammt, für die letzte Zeile will mir einfach nichts einfallen.«
Angela und Trevor sahen einander an und brachen in schallendes Gelächter aus, als sie Bjornes Gesichtsausdruck sahen.
»Was amüsiert euch beide denn so?« Er warf seine Kappe auf das Armaturenbrett, und unter seiner Bräune war zu sehen, dass seine Ohren und seine Wangen ganz rot wurden.
»Ich habe noch nie gesehen, dass du dich wegen irgendwas geschämt hast«, frotzelte Angela. Sie beugte sich hinüber und küsste ihn auf die Wange. »Es ist fantastisch«, versicherte sie ihm.
Bjorne drehte sich auf seinem Sitz und starrte an ihr vorüber Trevor an. »Ich brauche eine unparteiische Meinung. Trevor?«
Trevor hob die Hand, schloss die Augen und ließ das Lied in seinem Kopf noch einmal erklingen. »Wie wäre das hier«, meinte er und sang in einem schwankenden Tenor: »Bruder, ich hab den Swede-Lake-Traktor-Blues. Bruder, ich hab den Swede-Lake-Traktor-Blues. Mein Baby mach ich glücklich und kauf ihr ’nen John Deere.«
Bjorne stieß einen pfeifenden Laut aus, und Angela jubelte. »Perfekt. Das wird ein Hit werden«, frohlockte Angela und legte ihre Arme um ihrer beider Schultern. »Swede-Lake-Traktor-Blues von Bjorne Steffansson und Trevor Wallace, den Unschlagbaren.«
Trevor glaubte nicht, je zuvor in seinem Leben glücklicher gewesen zu sein, als in diesem Moment.
Der Sturm erwies sich als Vorbote glücklicher Fügungen, und die Regenfälle, die sie so dringend brauchten, setzten wie auf Stichwort ein. Auf den Feldern wuchs der Weizen hoch und grün, und die festen, hellen Samenköpfe verhießen eine erfolgreiche Ernte. Die Stimmung, die sich auf der Farm ausbreitete, spiegelte Zufriedenheit, sie hatten eine Glückssträhne.
Eines Abends Anfang August eiste Angela Trevor nach dem Abendessen ganz schnell von der Veranda los, bevor die Männer m ihn in ihre übliche Sitzung hineinziehen konnten, bei der geredet und geraucht wurde.
»Lass uns rausfahren.« Sie ließ die Schlüssel des Trucks von einer Hand in die andere fallen. Sie fuhren an Bjornes Haus vorüber und durch zwei Abzäunungen auf einen Pfad, der nur selten benutzt wurde. Da er inzwischen gut geschult war, öffnete Trevor jedes der zwei mal vier Meter großen Stacheldrahttore auf dem Weg und schloss es hinterher wieder. Der Pfad wurde nach der zweiten Abzäunung immer enger und war irgendwann in dem frisch gemähten Stoppelfeld kaum mehr als solcher zu erkennen. Der Truck schaukelte und rumpelte einen seichten Hügel empor, auf dem die Weizenfelder in unbebautes Land übergingen. Nur hie und da zierten Tüpfelchen niedriger Gräser und struppiger Salbeibüsche die steinige Landschaft.
»Wir lassen diesen restlichen Teil der eigentlichen Prärie wild wachsen.« Angela beschrieb mit ihrem Arm einen weiten Bogen. »Opa und Oma wollten es so. Wir haben hier eine Menge Pflanzen und Tiere, die man sonst kaum noch findet. Diese violetten Blumen sind Lupinen. Etwa einen Kilometer weiter im Norden gibt es eine Familie von Kaninchenkäuzen. Nächsten Frühling bringe ich dich da mal raus, damit du dir die Bartfußhühner ansehen kannst, wenn sie auf der Balz sind.«
Nächsten Frühling? Eine Woge von Wärme durchflutete Trevor bei der Aussicht auf die Zukunft. Sie beide hatten bisher noch nie etwas geplant. Es gefiel ihm, wie sich das anhörte, ein Plan, ein paar Vögel zu besuchen... nächsten Frühling. Vor ihnen fiel die flache Ebene steil hinab in ein enges Flussbett, einen smaragdgrünen Riss in der Prärie, und auf der anderen Seite stand gleich hinter dem Ufer eine Blockhütte.
»Das ist die Hütte meiner Großeltern, von der ich dir erzählt habe.« Sie brachte den Truck zum Stehen und schaltete den Motor ab.
»Ja, ich erinnere mich.« Er streckte seine Hand aus, um sie auf Angelas Schenkel zu legen, doch sie glitt bereits aus der Wagentür. Er folgte ihr den schmalen Pfad hinunter in die Wasserrinne, in der ein Bach über Steine und Kies hinwegplätscherte. An den Seiten hatten sich Tümpel aus stehendem Wasser gebildet, in denen dick die Rohrkolben und die Teichsimsen wuchsen. Klumpen weißen Flaums von kanadischen Pappeln drifteten in den Strömungen und säumten die Ufer des Bachs.
»Das Wasser kommt aus einer unterirdischen Quelle«, erklärte Angela. »Die ist der Grund dafür, dass es diese Farm überhaupt gibt. Durch diese Quelle haben meine Großeltern während der Wirtschaftskrise hier so manchen trockenen Sommer überlebt.«
Sie sprangen über
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