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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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das Geröll des Bachs und kletterten das Ufer hinauf zur Hütte. Die Holzblöcke waren von den vielen Jahren, die sie bereits der Witterung ausgesetzt waren, ausgebleicht und schimmerten silbrig, und wo das Flachswerg herausgefallen war, hatten sich Fugen gebildet. Trevor klopfte gegen eine der Endplanken. »Immer noch solide«, stellte er fest.
    »Opa wusste, was er tat«, gab Angela zur Antwort. »Die Schweden wissen mit ihren Händen umzugehen.« Sie öffnete die Verriegelung und stieß die Tür auf. »Ich bin die Einzige, die jetzt noch herkommt.«
    Trevor trat hinter ihr in das Haus, das nur aus diesem einen Raum bestand, der offenbar allen häuslichen Erfordernissen genügt hatte: Er war Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer und, wenn man das verstaubte Nachtgeschirr in der Ecke betrachtete, gelegentlich wohl auch das Badezimmer. Angelas Schritte hallten von den Bodenplanken wider. Die Luft roch nach Mäusedreck. Ein Herd aus Gusseisen und Holz und ein handgezimmerter Tisch dominierten den Raum; an der Rückwand stand eine breite Bank, und darüber hing ein Regal mit einem Bügeleisen, Einmachgläsern und einer Waschschüssel aus Blech. Trevor kletterte eine Leiter hinauf auf das leere Hochbett, setzte sich auf den Rand und ließ die Beine baumeln. Zu seinen Füßen stand Angela und blickte andächtig aus dem Panoramafenster in der Wand nach Westen. Die Abendsonne drapierte ihr Licht auf ihr Gesicht und auf ihre Schultern, und in dem strahlenden Dunst umkreisten sie Staubflocken, die aussahen wie Motten. Er stellte sich vor, dass sie zu den Pionieren gehörte, dass sie eine Frau war, die darauf wartete, dass ihr Ehemann von der Arbeit auf den Feldern nach Hause kam. Er ließ sich vom Hochbett auf den Boden fallen, und sie zuckte zusammen und sprang zur Seite, als er polternd landete. Sie mussten beide lachen. Auf der anderen Seite des Raums bot ein zweites Fenster Ausblick auf das Flussbett und die Graslandschaft, die sich dahinter auftat. Trevor fragte sich, ob man an kristallklaren Tagen wohl die Ausläufer der Rocky Mountains am Horizont sehen konnte.
    »Opa hat das Glas von Calgary hinten auf einer Kalesche hergebracht, um es Oma zu ihrem dreißigsten Geburtstag zu schenken«, sagte Angela. Sie fuhr mit ihren Fingern über das Fenster und hinterließ damit eine Spur in dem Staub. »Sie hat mir die Geschichte tausendmal erzählt. Er hat sein Lieblingsgewehr verkauft, um das Glas kaufen zu können, und die Rahmen mit einer Handsäge ausgesägt. Mitten im Winter hat er ihr den Sonnenschein geschenkt. Sie hat jedes Mal geweint, wenn sie mir die Geschichte erzählte.«
    Trevor schlang seinen Arm um Angelas Schulter. Auf der Kuppe des nächsten Hügels, der weiter nordwestlich lag, entdeckte er ein pyramidenförmiges Steingebilde. Es erinnerte ihn an einen Traum, den er gehabt hatte, in dem ein Elefant mitgespielt hatte, ein Nachthimmel und Constance. Er fragte sich, in welchem Teil der Welt sie jetzt wohl gerade war. Er hoffte, dass sie ebenso glücklich war wie er.

16

    In der ersten Septemberwoche erreichte Trevor völlig überraschend auf der Arbeit ein weiterer Brief von Constance. Er datierte vom elften August und kam aus Costa Rica. Trevor sah sich das Bild mehrere Minuten lang nachdenklich an. Constance stand über einen Zaun gebeugt am Rand einer Klippe, inmitten von einer Wolke oder einem Rauchstrudel. Mit der linken Hand wies sie auf die Erdspalte, und er konnte nicht sagen, ob das, was er in ihrem Gesicht las, ein schlechtes Gewissen oder Übermut war.
    Er stellte das Foto so hin, dass das Licht der Schreibtischlampe darauf fiel, und faltete das süßlich duftende Blatt Papier auseinander.

    11. August 1985
    San José, Costa Rica
    Lieber Trevor,
    glauben Sie an Himmel und Hölle? Ich erinnere mich, dass Sie mir erzählt haben, Sie seien nicht religiös. Ich habe keinen Fuß in eine Kirche gesetzt, seit ich Donald verlassen habe. Hier in Costa Rica sind sie alle katholisch. Sie glauben alle an Himmel und Hölle. Und an das Purgatorium, das Fegefeuer. Entsetzliche Geschichten, die kleine Kinder das Fürchten lehren. Wenn du gut bist, kommst du in den Himmel, aber wenn du lügst, stiehlst oder böse Dinge tust, ab mit dir in die Flammen der Hölle. Nur was, wenn das wahr ist, Trevor? Sie sind fein raus. All diese wunderbaren Dinge, die Sie mit Ihren Traktoren für die Armen tun. Ich weiß, dass diese Ersatzteile, die Sie Michael geschickt haben, eine Hilfe waren. Sie sind ehrlich und aufrichtig. Und

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