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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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»Vielleicht brauchst du ein wenig Zeit, um dahinterzukommen warum. Nimm dir frei. Bist du überarbeitet, irgendwie gestresst? Probleme zu Hause?«
    »Es geht mir gut.«
    Andy schlug mit der flachen Hand auf die Akte. »Die Zahlen hier sind nicht gut. Nimm einen Monat frei. Krieg dich wieder auf die Reihe, oder tu sonst was, solange es nur hilft.«
    »Einen Monat frei?« Trevor verschluckte sich fast.
    »Genau. Einen Monat. Ab heute.« Andy winkte mit der Hand Richtung Tür und griff nach einer anderen Akte, und er machte sich nicht die Mühe Auf Wiedersehen zu sagen, als Trevor den Raum verließ.
    In Trevors Kopf drehte sich alles, als er ein paar Sachen von seinem Schreibtisch zusammenpackte. Dreißig Prozent abgesackt? Er hatte lediglich angeregt, dass seine Kunden sich zur Abwechslung mal mit weniger kostspieligen Alternativen auseinandersetzten. Ihre Arbeitskraftreserven voll ausnutzten. Er hinterließ beim Empfang eine Nachricht, dass er bis Oktober nicht im Haus sein würde. Am Vordereingang blieb er stehen, dann drehte er sich noch einmal um und eilte die Treppe zur Abteilung für Teilefertigung und Kundendienst hinunter, nahm dabei zwei Stufen auf einmal. Mehrmals schlug er auf die Klingel auf der Theke.
    Schlendernden Schrittes kam Sid aus dem Lagerhaus, mit hochgeschobener Brille. »Nun aber mal halblang, weshalb die Eile?«
    »Sid.« Trevor bedachte ihn mit seinem feinsten Verkäufer-in-Not-Lächeln.
    » Trevor, schön, Sie zu sehen. Was kann ich für Sie tun?«
    Trevor durchwühlte seine Brieftasche und reichte Sid einen verkrumpelten Zettel. »Würden Sie wohl ein paar Anlasser und die anderen Ersatzteile für den IH 1066 an diese Adresse hier schicken? Setzen Sie die Kosten auf meine Rechnung.«
    Sid hob die Brauen, als er die Liste überflog, und stieß einen lang gezogenen Pfeifton aus. »Vorausgesetzt, dass ich die kriegen kann. Was immer Sie wünschen, Chef«, lachte er in sich hinein, »ist Ihr Geld.«
    »Danke.« Über die Theke hinweg schlug Trevor dem Mann auf die Schulter. »Sie sind ein echter Kumpel.«

    Drei Tage lang hockte Trevor in seiner Wohnung und blies Trübsal. Er hatte seit Jahren nicht mehr freigenommen. Er putzte seine Wohnung, joggte jeden Tag lange durch den Fish Creek Park, doch sobald der Abend kam, wurde er unruhig und langweilte sich. Das Wochenende auf der Farm kam einer Erleichterung gleich, aber es war ihm zu peinlich, irgendjemandem von seinem Zwangsurlaub zu erzählen, nicht einmal Angela, die ihre eigene Arbeit jeden Abend, wenn die Küche nach dem Abendessen wieder sauber war, auf dem Küchentisch ausbreitete.
    Am Mittwoch der zweiten Woche konnte er die Wohnung keine Sekunde länger ertragen und fuhr ziellos durch Calgary, bis er plötzlich feststellte, dass er gen Westen auf dem Highway 22X Richtung Bragg Creek und Kananaskis unterwegs war. Cowboyland, die Ausläufer der Rocky Mountains. Auf der Höhe einer Steigung hielt er an, stieg aus dem Wagen, lehnte sich gegen den Kofferraum, und vor ihm breitete sich die Vorgebirgslandschaft aus. Wie Flüssigkeit sammelte sich die glatte Prärie zu seinen Füßen und wurde zu rastlosen Hügeln, die wie eine gefrorene Welle des Ozeans nach Westen floss, um dort an den mit weißem Schaum bedeckten Bergspitzen zu brechen. Wonach suchte er? War er nicht mehr richtig im Kopf, wie Andy angedeutet hatte?
    Am Donnerstag nahm er den Highway Richtung Banff. In Cochrane fuhr er ab und weiter am Ghost River Valley entlang. Auf tausendfünfhundert Metern Höhe war die Luft frisch, und der erste Schnee bedeckte die Bergketten wie mit einer Staubschicht. Er parkte den Wagen und wanderte an der Straße entlang zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man über das Tal blicken konnte. Bäume und Höhenzüge versperrten die Sicht, und in seinen Lungen wurde es ganz eng, als ihm bewusst wurde, dass er den Himmel nicht sehen konnte. Ein weißgesichtiger junger Ochse marschierte an den Zaun und brüllte ihn an. »Verpiss dich!«, brüllte Trevor zurück und ging wieder zu seinem Wagen.
    Am Freitagmorgen machte er sich auf gen Norden Richtung Edmonton, durch eintöniges, deprimierendes, eingezäuntes Land, das überall von Ölpumpen verunstaltet war. Er verwarf die vage Idee, den ganzen Weg bis Edmonton zu fahren, und drehte vor Red Deer wieder um. Als er die Außenbezirke von Calgary erreichte, wo neues parzelliertes Bauland in die Prärie hineinströmte wie Wellen einer Invasion, erfasste ihn plötzlich das unheimliche Gefühl, als ziehe ihn etwas

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