Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Seoul fliegen würden, um dann auf der anderen Seite der Grenze stehen zu können. Wie absurd! Auf dem Grenzstreifen stehen vier Container, die durch die Schweiz und Schweden, die tschechische Republik und Polen jeweils Begegnungsorte im Sperrgebiet ermöglichen. Wir konnten gegenüber die südkoreanischen und US-amerikanischen Soldaten sehen. Ich habe den nordkoreanischen Grenzsoldaten gefragt, was passieren würde, wenn ich nun einfach die paar Meter hinüberliefe. Er meinte, die „Gegenseite“ würde mich erschießen. Ich sagte, das sei verrückt, denn das seien doch „meine Verbündeten“. Er zuckte mit den Schultern. Und ich habe mich gefragt, wie diese Absurdität eigentlich irgendjemandem zu erklären sei. Dass ein Land wie Nordkorea, in dem Menschen hungern, riesige Summen für Rüstung ausgibt, ist unfassbar.
Viel zu wenig wissen wir von den Erfahrungen gelungener Konfliktvermittlung. Hierzu sollten Kompetenzzentren entstehen, die aus gelungenen Erfahrungen Schlussfolgerungen ziehen, Lernerfahrungen ermöglichen und Mut schöpfen lassen für zukünftige Konflikte. Es muss sich erst noch herumsprechen, dass es auch gewaltfreie Lösungen gibt. Es geht darum, Feindbilder abzubauen, wenn Jugendliche sich grenzübergreifend treffen. Da kann die andere Seite wahrnehmbar werden, statt dass von Kriegsfeinden martialische Sieges- und Besiegtenbilder gemalt werden.
Markus Weingardt hat in einer Studie zum Thema „Das Friedenspotenzial von Religionen“ 60 in mehreren Fallstudien gezeigt, dass religiös motivierte Akteure zur Verminderung von Gewalt in politischen Konflikten beitragen. Die 40 (!) Beispiele aus aller Welt betrachte ich als ungeheure Ermutigung. Wir können etwas tun; es gibt Hoffnungsgeschichten. Es zeigt sich, dass sie einen langen Atem brauchen, Vertrauen und Kontakte mit allen Konfliktparteien aufgebaut werden müssen, um in Konflikten zu vermitteln. Dazu gehört auch eine „emotionale Konfliktbearbeitungskompetenz“ 61 . Diesen Begriff finde ich spannend. Es geht ja oft nicht nur um die harten Fakten, sondern um tiefer liegende Konfliktdimensionen. Und die lassen sich nicht mit Waffen bewältigen.
Europa
Europa hat auf grausame Weise erlebt, was es heißt, andere mit Krieg zu überziehen, und wie eine Zivilbevölkerung unter den Großmachtfantasien Einzelner leiden kann. Sollte es nicht möglich sein, von den Religionen in Europa her vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Vernichtung und Vertreibung, von Zerstörung und Flucht ein tief verwurzeltes Engagement für friedliche Konfliktlösungen voranzutreiben? Wir könnten aus der Erfahrung der Vergangenheit heraus an der Spitze der Bewegung für eine friedensfähige Welt stehen! Der Friedensnobelpreis 2012 für die Europäische Union ist ein wunderbares Zeichen dafür. Und die Religionen in Europa könnten Vorreiterinnen dafür werden, energisch gegen ideologische Hetze, sprachliche Aufrüstung von Feindbildern und reale Aufrüstung durch immer neue Waffen anzutreten.
Friedrich Siegmund Schultze hat 1946 formuliert: „Der Haß ist sicherlich eine der stärksten Mächte im Leben der Menschheit. (…) Der Haß zerstört die Güter, die die Menschheit empfing und vermehrte. Diese reiche Erde, den Menschen als Besitz anvertraut, droht die Stätte ihres Unterganges zu werden. Der Garten, der aus der Wildnis erstand, wird wieder zur Wüste. Die Felder, mit unendlicher Mühe angelegt, werden versengt. (…) All die Kräfte, die dem Aufbau dienen sollten, werden in den Dienst des Todes gespannt. (…) Vielleicht, daß nicht in jedem Fall, in dem die Erde versengt oder der Tod gestreut wird, der Haß den Zerstörer treibt; aber unsichtbar steht der Dämon des Hasses hinter dem, der die Bombe plant oder wirft. Und die Menschheit läßt sich wie stets in die Verantwortungslosigkeit hineinschläfern, die die Tat ermöglicht, die den Täter schützt, ja bewundert.“ 62
Ein hervorragender Ansatzpunkt für Friedensethik: sich nicht in eine Verantwortungslosigkeit „hineinschläfern“ lassen! Vom biblischen Friedensauftrag her gilt es, sich klar für die Überwindung von Krieg einzusetzen. Das ist nicht naiv, sondern hoffnungsvoll. Und es ist letzten Endes ein Eintreten für Menschenwürde, ja, Menschlichkeit und Zukunftsfähigkeit.
Auf einer Fahrt über die Insel Usedom kamen wir an einem weiten Hügel vorbei, an dem sich fette Säue vergnügten. Irgendwie musste ich lachen: glückliche Schweine! Sie lagen dick und faul in der Sonne oder suhlten
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