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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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überzeugendes Modell: den Frauen jeweils die Hilfe anbieten, die sie brauchen, wenn die Schwangerschaft für sie eine Belastung ist. Auch das wird aber kritisiert. So kritisiert Matthias Kamann in der WELT Ministerin Schröder, weil sie einen Kompromiss gesucht hat mit Befürwortern von anonymer Geburt und Babyklappen, sie sei „vor dem gutmenschlichen Moralismus der Klappenlobbyisten eingeknickt“ 81 . Da ist er wieder, der Gutmenschenvorwurf.
    Es geht darum, sich über Kinder zu freuen, weil sie ein Segen sind. Und hinzusehen, wo Kinder leiden und Eltern überfordert sind. Respekt vor dem zu haben, was Eltern leisten. Beim Propheten Joel (3,1) heißt es: „Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.“ Das finde ich ungeheuer spannend. Wo Jung und Alt zusammenleben, verändern sich die festgelegten Muster. Da können die Jungen weise sein. Und das erleben wir doch manches Mal nach dem Motto: „Kindermund tut Wahrheit kund.“ Gut, wenn wir uns davon noch überraschen lassen. Aber auch die Alten dürfen noch neu denken und träumen, anstatt auf ihre Rolle festgelegt zu sein. Und „Gesichte sehen“ heißt ja wohl, es gibt noch Visionen für die Zukunft, Hoffnung auf Veränderung, ja, auf Weltverbessern. Es ist ein Segen, wenn Junge und Alte, Kinder und Familien, Kinderlose und Alleinerziehende zusammenleben. Die Vielfalt macht den Reichtum aus. Und die muss nicht ein Gegeneinander bedeuten, sondern kann als Miteinander gestaltet werden. Aber ohne Kinder ist ein Land arm, kinderarm, in der Tat.



2011 habe ich mich bereit erklärt, Teil einer Jury für Bestattungskultur zu sein. Gesucht wurden der schönste Friedhof, der schönste Sarg, der schönste Grabstein und die schönste Urne. Ich fand das interessant, denn es zeigt: Die Bestattungskultur verändert sich rapide, auch wenn das Thema „Sterben“ immer wieder verdrängt wird. Die Folge war daher ein gewisser Spott der Presse nach dem Motto: „Käßmann sucht den Supersarg“. Die Idee zu sagen: „Schaut euch um, beschäftigt euch mit dem Thema, holt das Sterben mitten hinein in euren Alltag“ finde ich aber weiterhin gut! Die Themenwoche der ARD zum Thema „Leben mit dem Tod“ hat im November 2012 gezeigt, wie sehr Menschen interessiert sind an wahrhaft allen Facetten des Themas von Trauer über Sarg und Nahtoderfahrung bis zu Suizidgedanken.
    Lebensklugheit
    „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ , formuliert der Psalmist (Ps 90,12). Das ist eine tiefe biblische Weisheit. Wer der eigenen Endlichkeit nicht ausweicht, lebt bewusster. Und wer das Sterben nicht verdrängt, hat einen tieferen Blick auf das Leben.
    Bestattungskultur ist dabei ein wichtiger Aspekt. So gibt es seit einigen Jahren in Bremen die Messe „Leben und Tod“, die Fragen wie Vorsorge, Begleitung und Trauer mit Ausstellern präsentiert und das Thema mit Vorträgen und Seminaren vertieft. Bei einem Besuch konnte ich erleben, wie eine solche Messe Gespräche in Gang bringt, zum Nachdenken anregt und Menschen ermutigt, über das eigene Sterben nachzudenken. Warum haben wir Angst, darüber zu sprechen? Ich habe oft erlebt, dass Verwandte beim Tod eines nahen Angehörigen völlig überfordert waren, in dieser existenziellen Situation Entscheidungen zu treffen: Organspende ja oder nein, Sarg oder Feuerbestattung, große Beerdigung oder stille Trauerfeier? Es war niemals darüber gesprochen worden und eine große Hilflosigkeit griff um sich. Wie entscheiden?
    Anonymer einerseits, individueller andererseits
    Derzeit gibt es zwei Tendenzen. Die eine ist die Anonymisierung: Immer mehr Menschen wünschen, dass ihre Asche verstreut wird, sei es auf einem Friedhof, in einem Friedwald oder auf See. Sie wollen keine Spur hinterlassen oder auch anderen schlicht nicht mit Grabpflege zur Last fallen. Das finde ich abgrundtief traurig. Einen Ort zu haben, einen Namen zu erinnern, das ist Teil christlicher Kultur. Der Theologe Fulbert Steffensky hat einmal gesagt: „Heimat ist da, wo wir die Namen der Toten kennen“. Wenn wir alle Toten anonym verscharren, sagt das auch etwas über unsere Beziehungen als Lebende aus! Solange das Grab meines Vaters noch da war, bin ich ab und an hingegangen, wenn es die Reiseroute ermöglichte, und habe ihm eine rote Rose aufs Grab gelegt. Ich habe dann dort gestanden und mich

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