Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
erinnert. Ich bin mit ihm in einen inneren Dialog getreten. Und es tat gut.
Wenn Friedhöfe Felder anbieten, in denen eine Platte in den Rasen eingelegt wird, auf der Namen und Lebensdaten stehen und die übermäht werden kann, oder eine Stehle die Namen derer festhält, die auf einem Feld bestattet sind, sinkt die Zahl der anonymen Bestattungen, sagten mir Friedhofsmitarbeiter. Das finde ich wichtig. Wir brauchen doch Orte der Erinnerung. Wo ich Urlaub gemacht habe, fand ich die Friedhöfe oft interessant. Ein Friedhof erzählt so viel. Über einen Ort und seine Geschichte, über Sturmfluten oder Epidemien, die Familien zerstörten. Er macht die Verstorbenen zum Teil des Lebens.
Eine besondere Herausforderung sind heute sogenannte Sozialbestattungen. Menschen, die allein zurückbleiben oder deren Angehörige sich eine Bestattung nicht leisten können, werden immer öfter anonym verscharrt. Einzelne Kirchengemeinden machen es sich inzwischen zur Aufgabe, für eine würdige Trauerfeier und Bestattung zu sorgen. Damit stehen sie in guter Tradition. Im Christentum gehörte es von Anfang an dazu, Menschen würdig zu bestatten. Schon Josef von Arimathäa stellt in der biblischen Erzählung sein Grab zur Verfügung, damit Jesus mit Würde bestattet werden konnte nach diesem so grauenvollen Sterben. Im Urchristentum war es ein Kennzeichen der ersten Gemeinden, dass jeder, auch der Sklave und die Rechtlose von der Gemeinde, zu der sie gehörten, eine solche Bestattung erhielt. Sie gilt als siebtes Werk der Barmherzigkeit. Es gehört in christlicher Tradition zu unseren Pflichten, auch unbekannte Tote zu waschen, zu kleiden und zu bestatten. Und das hat ganz neu an Aktualität gewonnen.
Am 2. Januar 2008 erreichte mich ein Anruf: Ein Kind ist vor dem Babykörbchen erfroren. Niemand weiß bis heute, was passiert ist. Hat in der Tat in jener Frostnacht die Mechanik versagt, wie manche spekulierten? Hat die Mutter kurz vor der Klappe der Mut verlassen? Ich weiß es nicht. Aber ich habe mich verantwortlich gefühlt und bin gemeinsam mit meiner Referentin zu dem Bestatter gegangen, bei dem der kleine Junge aufgebahrt wurde. 82 Auch die Leiterin des „Netzwerkes Mirjam“ kam dazu. Wir drei standen da und fanden keine Worte. So ein kleines Leben, das doch gelebt werden wollte. Keine von uns wird das wohl je vergessen. Und ich danke bis heute dem Bestatter, der dieser Situation Würde gegeben hat. Am Ende haben wir für den „herrenlosen Leichnam“ beziehungsweise den kleinen Mose, wie wir ihn genannt haben, eine Trauerfeier abgehalten und haben ihn inmitten von anderen Kindergräbern bestattet. Ich hoffe bis heute, dass seine Mutter davon erfahren hat und unbehelligt an dieses kleine Grab gehen kann, um einen Ort für ihre Trauer zu haben. Ein Steinmetz hat eigens einen Grabstein geschaffen, der ein Körbchen zeigt, das auf dem Wasser auf der Suche nach neuen Horizonten ist.
Die andere Tendenz in der Bestattungskultur ist die Individualisierung. Bestattungsagenturen ermöglichen, bei den Toten zu bleiben und den Sarg selbst zu bemalen, und Friedhofsordnungen öffnen sich für persönliche Grabgestaltung. Das ist einerseits sehr positiv. Warum sollen alle im üblichen Eichensarg bestattet werden? Als einer meiner besten Freunde mit 45 Jahren starb, hat seine Frau einen grünen Sarg ausgesucht – beide hatten das vorher abgesprochen. Im Dorf sorgte das durchaus für Irritation. Aber es passte und war gut so. Wenn eine Frau einen bestimmten Schmuck liebte, warum soll ihr Sarg nicht mit Swarowski-Steinen geschmückt sein – dieses Modell hat jenen Wettbewerb gewonnen, auch wenn ich es als Jurymitglied nicht auf den ersten Platz gesetzt hätte. Die Trauerfeier ist zwar kein Event, aber Individualität hört mit dem Sterben nicht auf. Das kann zu Kuriositäten führen, die auch angesichts des Todes schmunzeln lassen. Ich denke da an den Ohlsdorfer Friedhof: „Du stehst noch hier und ich bin hin. Bald bist du dort, wo ich schon bin.“ 83 Als Pfarrerin war ich manchmal überrascht, wie wenig Gedanken sich Angehörige, die zum Trauergespräch kamen, über den Tod gemacht hatten. Das wird dann oft zur Last, weil nicht gesagt wurde, was noch gesagt oder geklärt hätte werden sollen.
Beide Tendenzen zeigen sich auch in Traueranzeigen. Einige Sterbefälle werden gar nicht angezeigt oder erst nachträglich, wenn die Beerdigung schon stattgefunden hat: „Die Trauerfeier fand im engsten Familienkreis statt.“ Aber eine Beerdigung
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