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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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mitkommen kann«, sagt Maureen. »Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie alle bei ihr im Krankenhaus hocken. Nicht gerade der sicherste Ort. Und was ist mit unseren beiden? Ich glaube, Ty würde gern |228| bleiben, wo er ist. Ich habe den Eindruck, dass inzwischen auch eine kleine Freundin im Spiel ist.«
    »Darüber haben wir noch keine Entscheidung getroffen. Nach dieser Nummer in der Schule würde ich die beiden am liebsten auch wegschicken. Der spinnt doch, der Junge. Man müsste härter durchgreifen, ihn aus allem raushalten. Aber das ist verdammt teuer, wie Sie wissen, und dann kriegen wir wieder jede Menge Nachfragen wegen der Kosten. Es wäre schon besser, wenn wir sie hierlassen könnten.«
    Sie reden jetzt leiser, und ich muss mich anstrengen, um etwas zu verstehen und schlau daraus zu werden.
    »Nichts Neues von   … murmelmurmel?«, fragt Maureen.
    »Nicht dass ich wüsste. Cliff observiert sie noch, aber die sind verdammt gerissen und wissen genau, wie man Spuren verwischt. Bis jetzt konnten wir noch keine Verbindung nachweisen.«
    »Immer dasselbe. Nehmen wir auf dem Rückweg einen anderen Wagen?«
    »Ja, ist schon organisiert.«
    »Trotzdem wär’s mir lieber, wir würden das hier bleiben lassen«, sagt sie. »Es ist viel zu riskant für den Jungen.«
    »Sie glauben, dass es seiner Großmutter hilft«, erwidert Doug. »Wir wollen uns doch nicht gleich den nächsten Mordfall aufhalsen.«
    »Nein.« Maureen dreht sich um. »Wach auf, Ty, wir sind gleich da.«
    Ich recke mich und gähne ausgiebig und Doug fährt zum Seiteneingang des Krankenhauses. Ich schaue auf |229| die Uhr. Drei Uhr morgens. Nicht gerade die übliche Besuchszeit.
    Er zieht ein Polizeifunkgerät aus der Tasche und spricht eine Weile hinein, dann kommt ein untersetzter Mann auf den Wagen zu. Doug steigt aus und redet kurz mit ihm, dann macht er die Tür wieder auf. »Alles klar, Ty, du gehst mit Dave. Wir sehen uns anschließend wieder.«
    »Kommen Sie denn nicht mit?«
    »Nein, aber wir holen dich wieder ab. Keine Bange. Dave kennt sich hier aus.«
    Was ist, wenn Dave eine Art Doppelagent ist? Wenn er mich einfach abknallt, sobald Doug und Maureen weg sind? Ich atme tief durch und steige aus.
    »Komm mit!«, sagt Dave und wir gehen zum Eingang. Wir gehen ein paar Treppen rauf und einen Flur entlang. Die ganze Zeit sagt Dave kein Wort zu mir. Dann geht’s durch eine Flügeltür und mit dem Fahrstuhl nach oben, wo wir noch mal ein ganzes Stück laufen, bis wir in einen Flur einbiegen, wo ein Polizist mit einer Riesenknarre im Schoß sitzt. Sieht aus wie eine Maschinenpistole oder so. Dave und er nicken einander zu.
    »Hier lang!«, sagt Dave. Was wohl die anderen Familien, die hierher zu Besuch kommen, von der Polizeiwache halten? Mir wäre es gar nicht recht, wenn ich mir am Bett eines kranken Angehörigen auch noch über eine mögliche Schießerei Gedanken machen müsste. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich so vielen Unbeteiligten solche Unannehmlichkeiten bereite.
    |230| Dave macht die Tür zu einem Nebenraum auf und sagt: »Dreißig Minuten.« Will der mich verarschen? Wir sind drei Stunden gefahren, damit ich eine halbe Stunde hier sein kann?
    Er bleibt draußen. Ich gehe rein, bin total zittrig und aufgeregt. Was erwartet mich? Wer ist noch im Zimmer?
    Da steht ein Bett und drum herum jede Menge leise piepsender Apparate. In dem Bett liegt Gran. Außer ihr und mir ist niemand da. Ich hatte auch Mum und meine Tanten erwartet. Warum sind sie nicht hier? Wollen sie mich nicht sehen? So ganz allein in dem Zimmer ist es ziemlich gruselig.
    Gran ist kaum zu erkennen. Sie sieht uralt aus, und ihr Gesicht hat eine ganz kranke Farbe, irgendwie grünlich blass, von den Stellen abgesehen, die lila und geschwollen sind. Sie hat dicke blauschwarze Ringe unter den Augen. Sie riecht nicht einmal mehr gut und ihr ganzer Kopf ist dick verbunden.
    Vielleicht hätte ich sie gar nicht erkannt, aber zwischen den vielen Schläuchen, die aus ihrem Arm kommen, entdecke ich die kleine Tätowierung   – das Herz, in dem »Mick« steht, so hieß nämlich mein Opa. Das Tattoo stammt von ihrer Hochzeitsreise. »Damals haben sich alle Mädchen so was machen lassen«, hat sie mir erzählt, als ich noch klein war und wissen wollte, was sie da auf dem Arm hat.
    Nur an den mühsamen, rasselnden Atemzügen merkt man, dass sie noch lebt. Es würde ihr nicht gefallen, dass ich sie in diesem Zustand sehe. Mir gefällt es auch nicht.

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