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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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deinen Eltern und Geschwistern weitersagen noch irgendwem in der Schule. Aber falls dich jemand dazu zwingen will, jemand   … irgendwelche echt üblen Leute   …«
    »Ja?«
    »Dann sag es. Du musst mich nicht schützen, wenn du dich dadurch selbst in Gefahr bringst.«
    »Gefahr?«
    »Ja. Hör zu, ich heiße gar nicht Joe. Wir sind auch nicht hergezogen, weil Mum mit ihrem Freund Schluss gemacht hat. Wir sind hier, weil ich   … ich   …«
    |218| »Weil was? Wie heißt du denn richtig?«
    So habe ich Claire noch nie erlebt. Ich meine, abgesehen davon, dass sie kaum etwas anhat. Sie ist richtig lebendig geworden, ihre blauen Augen leuchten, ihre Wangen sind rosig. So sieht sie gleich viel hübscher aus   … aber soll ich ihr wirklich alles erzählen?
    »Ich heiße Tyler. Meistens werde ich Ty genannt, aber das ist nur eine Abkürzung für Tyler. Tyler Michael Lewis.«
    Es kommt mir komisch vor, meinen ganzen Namen laut zu sagen, aber es ist auch eine echte Erleichterung. »Tyler nach meinem Dad und Michael nach meinem Großvater.«
    »Tyler   … Schöner Name.«
    »Ich habe etwas gesehen. Ich habe gesehen, wie jemand ermordet wurde. Und als ich es der Polizei erzählt habe, meinten die, dass es zu Hause nicht mehr sicher ist für mich. Wir sind trotzdem wieder nach Hause gegangen, aber dann wurde   … Eine Brandbombe flog in den Laden unter unserer Wohnung, der Laden ist völlig ausgebrannt. Die Polizei musste uns eine neue Identität geben und aus London rausbringen, und so wurde ich zu Joe und meine Mum zu Michelle. Eigentlich heißt sie Nicki. Meine Augenfarbe haben sie mit Kontaktlinsen verändert und mir auch die Haare gefärbt   – eigentlich habe ich hellbraune Haare, so ähnlich wie du   –, und sie haben mich in der Schule ein Jahr runtergestuft. Ich bin vierzehn, nicht dreizehn, und eigentlich sollte ich jetzt mit der Neunten fertig werden.«
    »Wer ist denn umgebracht worden?«
    |219| »Ein   … ein Junge. Die Typen wollten ihm den iPod abnehmen, aber er hatte auch ein Messer. Es war schrecklich. Drei gegen einen.«
    »Oh Gott, wie furchtbar.«
    Ich erinnere mich an das viele rote Blut auf Arrons weißem Hemd. »Ich bin weggerannt, um Hilfe zu holen, ich hab einen Bus angehalten und dem Fahrer zugerufen, er soll einen Krankenwagen rufen, aber bis der da war, war es zu spät. Viel zu spät.«
    Ich hätte bleiben sollen. Ich hätte da sein sollen, als der Krankenwagen eintraf. Stattdessen   … stattdessen   … es gibt ein paar Sachen, die ich noch nicht erzählen kann. Nicht mal Claire. Nicht mal jetzt.
    »Warum war es für euch zu Hause nicht mehr sicher?«, will sie wissen.
    »Weil jemand will, dass   … dass ich den Mund halte und nicht vor Gericht aussage. Und derjenige   … diese Typen sind total rücksichtslos und würden mich wahrscheinlich sogar umbringen.«
    »Oh Gott, Joe! Oder soll ich dich lieber Tyler nennen?«
    Ich schüttele den Kopf. »Das ist zu verwirrend. Außerdem könntest du es vergessen und die Namen in der Schule verwechseln oder so.«
    Sie lacht. »In der Schule würde ich mich sowieso nicht trauen, dich anzusprechen!«
    Ich muss auch lachen. »So ein Quatsch, Claire. Du musst endlich aufhören, dich unsichtbar zu machen.
Ich
sollte unsichtbar sein, und ich stelle mich furchtbar blöd dabei an. Aber du hast das doch gar nicht nötig.«
    |220| »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du je unsichtbar sein könntest«, sagt sie leise, und ich denke bloß: Aha! Du bist eben doch ein bisschen in mich verknallt! Jemand wie Joe würde eine solche Gelegenheit natürlich schamlos ausnützen, aber jetzt bin ich gerade wieder Ty.
    »Irrtum. In London war ich immer so was von unsichtbar! Mein bester Freund hat mich als Muttersöhnchen beschimpft, und in der Schule wollte keiner was mit mir zu tun haben, weil ich nicht reich war und auch nicht   … eigentlich gar nichts. Außerdem war ich klein und ein bisschen pummelig.«
    »Nein!«
    »Stimmt aber.«
    Sie lacht über mich, und ich bin unglaublich froh, dass ich jemanden gefunden habe, dem ich den ganzen Kram erzählen kann. Mir fällt auf, dass ich es noch niemandem erzählt habe, weder Mum noch Gran, nur Mr Patel im Laden unter uns hatte eine Ahnung davon, wie schwer es mir gefallen ist, mich auf der St. Saviours zurechtzufinden.
    »Wann musst du denn aussagen?«
    »Wahrscheinlich im Herbst. Aber ich weiß es nicht genau. Manchmal kommt die Polizei und stellt mir Fragen, sonst sagen sie mir nichts. Und jetzt ist meine

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